Am 27. November 2024 wurden alle 27 Kommissarinnen und Kommissare von den Abgeordneten in Straßburg bestätigt. Das neue „von der Leyen II“-Team wird den politischen und wirtschaftlichen Kurs Europas in den nächsten fünf Jahren maßgeblich bestimmen, denn die EU-Kommission ist als Exekutivorgan allein für die Ausarbeitung von Vorschlägen für neue europäische Rechtsvorschriften zuständig.
Die Europäische Volkspartei um Manfred Weber geht – zum Unmut der Sozialdemokraten und Grünen – klar als Gewinner aus dem Entscheidungsprozess hervor. 14 der 27 bestätigten Kommissarinnen und Kommissare stammen aus dem christdemokratischen/konservativen Spektrum.
Die neu formierte EU-Kommission beginnt am 1. Dezember 2024 ihre Arbeit. Klar ist: Es braucht schnelles und konsequentes Handeln, um die wirtschaftliche Krise in Europa zu bewältigen. Die Stiftung Familienunternehmen und Politik in Brüssel setzt sich für einen massiven Bürokratieabbau und bessere Standortbedingungen statt neuer Subventionen ein.
Nachfolgend ein Überblick über die für Familienunternehmen wichtigsten politischen Kommissarinnen und Kommissare sowie deren Prioritäten:
Der französische, liberale Politiker zählt zu den engsten Beratern von Emmanuel Macron. Anfang dieses Jahres wurde er als französischer Minister für Europa und auswärtige Angelegenheiten ernannt, bevor er als designierter Exekutiv-Vizepräsident nach Brüssel berufen wurde. Séjourné folgt auf seinen Landsmann Thierry Breton und gilt als neuer EU-Industriechef.
Industrie: Séjourné kündigt einen „EU Clean Industrial Deal“ an. Im Rahmen dieses Pakts beabsichtigt er, strategische Sektoren zu stärken, Energiepreise zu senken und den Zugang zu Rohstoffen zu sichern. Für alle Branchen wird er einen entsprechenden Aktionsplan vorlegen.
Bürokratieabbau: Gemeinsam mit Kommissar Dombrovskis will Séjourné den bürokratischen Aufwand für Unternehmen verringern. Außerdem plant er, einen KMU-Pass einzuführen, damit Unternehmen nicht wiederholt ihren rechtlichen Status nachweisen müssen.
Binnenmarkt: Séjourné spricht sich für die Stärkung des Binnenmarktes aus und verspricht, in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit eine Binnenmarktstrategie vorzulegen.
Investitionen: Um die industriellen Prioritäten der EU zu finanzieren, will der Franzose einen EU-Wettbewerbsfähigkeitsfonds einrichten – Fragen zu dessen Umfang und Funktionsweise konnte er nicht beantworten. Durch die Schaffung einer Spar- und Investitionsunion plant Séjourné, die im Draghi-Bericht erwähnte Investitionslücke von 800 Milliarden Euro zu schließen.
Handel: Im Sinne der „Economic Security“ fordert der EU-Industriechef ein Gleichgewicht zwischen einem offenen Ansatz mit strategischen Partnern und einen defensiven Ansatz mit handelspolitischen Schutzinstrumenten. Im Hinblick auf China betont er, die Zollreform abschließen zu wollen, um bessere Kontrollen an den EU-Grenzen zu gewährleisten. Séjourné brachte seine Ablehnung des EU-Mercosur-Handelsabkommens zum Ausdruck. Es könnte allerdings sein, dass die EU im Dezember das EU-Mercosur-Abkommen gegen den Willen Frankreichs unterzeichnet.
Die spanische Politikerin gehört der sozialdemokratischen Partei von Pedro Sánchez an. Sie war von 2018 bis 2024 Vizepräsidentin Spaniens und Ministerin für den ökologischen Wandel und demografische Herausforderungen. Als neue Exekutiv-Vizepräsidentin der Europäischen Kommission wird sie als eine der einflussreichsten EU-Politikerinnen gehandelt.
Europäischer Green Deal: Ribera ist eine starke Verfechterin des Europäischen Green Deals. Sie betont die Notwendigkeit, bestehende Rechtsvorschriften in diesem Bereich durchzusetzen.
Industrie: Hinsichtlich der europäischen Automobilindustrie und den Dekarbonisierungszielen des Sektors erklärt die Spanierin ihre Kooperationsbereitschaft. Auch will sie sich mit der kritischen Situation der Zulieferer der Automobilindustrie befassen.
Wettbewerbspolitik: Ribera will an einer Reform der EU-Wettbewerbspolitik arbeiten, u. a. um die Regeln für staatliche Beihilfen zu vereinfachen und um gegen Übernahmen vorzugehen, „die Innovationen verhindern“.
Von 2009 bis 2013 war der konservative Politiker lettischer Ministerpräsident. In der neuen Legislaturperiode beginnt Dombrovskis sein drittes Mandat als EU-Kommissar. Er gilt als „EU-Veteran“ und eines der erfahrensten Mitglieder der neuen Kommission.
Bürokratieabbau: Dombrovskis verspricht, die Meldepflichten für Unternehmen um 25 Prozent und für KMU um mindestens 35 Prozent zu reduzieren. Außerdem will er in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit Vereinfachungsvorschläge wie einen Wettbewerbsfähigkeitscheck vorlegen. Dafür plant er, Umsetzungsdialoge mit Unternehmen zu führen. Der Kommissar möchte außerdem digitale Technologien zur Entlastung der Unternehmen einsetzen.
Investitionen: Ähnlich wie sein französischer Kollege spricht auch Dombrovskis von einem neuen Wettbewerbsfähigkeitsfonds. Zudem möchte er eng mit der Europäischen Investitionsbank zusammenarbeiten, um in Schlüsselsektoren zu investieren. Der Lette kündigt an, die Kapitalmärkte zu vertiefen und auszuweiten.
Mit der „von der Leyen II“-Kommission tritt der Slowake sein viertes Mandat als Kommissar an. In seiner letzten Funktion leitete Šefčovič die Arbeit der Kommission am Europäischen Green Deal.
Handel als geopolitisches Instrument: Šefčovič wird – wie Séjourné – auf die Doktrin der „Eco-nomic Security“ setzen. Außerdem verspricht er den Einsatz risikomindernder Maßnahmen (z. B. Screening ausländischer Direktinvestitionen, Ausfuhrkontrollen und Partnerschaften für kritische Rohstoffe).
USA: Der Slowake will der neuen Regierung in Washington ein Angebot zur Zusammenarbeit unterbreiten. Er bezieht sich dabei insbesondere auf die protektionistischen Elemente des Inflationsbekämpfungsgesetzes (IRA). Außerdem verspricht er, den EU-USA Handels- und Technologierat neu zu gestalten.
China: China sei der schwierigste Handelspartner, mit dem die EU ihre Beziehungen neu ausbalancieren müsse. Šefčovič betont, dass die EU nicht an Handelskriegen interessiert sei, stattdessen will er für gleiche, faire Wettbewerbsbedingungen kämpfen. Er ließ verlauten, dass nach den EU-Zusatzzöllen auf in China hergestellte Elektrofahrzeuge nun die Unterhändler der Kommission mit chinesischen Partnern über Preisverpflichtungen verhandeln.
Freihandelsabkommen: Šefčovič verspricht, die Arbeit an Freihandelsabkommen mit Mexiko und Australien fortzusetzen, eine strategische EU-Indien-Agenda auszuarbeiten und die Wirtschaftsbeziehungen im Indo-Pazifischen Raum und mit Lateinamerika und der Karibik zu stärken. Kapitel zur Nachhaltigkeit sollen in allen neuen Abkommen erscheinen.
Zölle: Bereits für das erste Halbjahr 2025 plant Šefčovič eine umfassende Zollreform. Neben der Einrichtung einer EU-Zollbehörde soll bis 2026 auch ein „EU-Zolldaten-Hub“ entstehen, der ein vollständiges Bild der eingeführten Waren geben wird.
Hoekstra bekleidete diverse Positionen innerhalb der niederländischen Regierung, bevor er 2023 auf Frans Timmermanns als EU-Kommissar für Klimapolitik folgte.
Steuern: Laut Hoekstra müssen in Zeiten wachsender Ungleichheit „die breiteren Schultern eine größere Last tragen“. Er befürwortet EU-Abgaben auf Tech-Giganten und „große Umweltverschmutzer“ einschließlich des Luftfahrtsektors. Überdies will der Niederländer Steuerlücken schließen und hart gegen Steuerbetrug vorgehen.
Der konservative Politiker war bereits zwei Mal Premierminister von Litauen. 2019 wechselte er als Abgeordneter des Europäischen Parlaments nach Brüssel.
Europäische Verteidigungsbereitschaft: Vor dem Hintergrund eines möglichen Angriffs Russlands gegen einen Mitgliedstaat der EU und der NATO setzt Kubilius auf Abschreckung und Vorbereitung. Er kündigt an, innerhalb seiner ersten 100 Tage im Amt ein Weißbuch über die Zukunft der europäischen Verteidigung vorzulegen.
Europäischer Rüstungsgütermarkt: Der Litauer plant, die fragmentierte und bisher wenig interoperable europäische Verteidigungsindustrie zu rationalisieren und einen Rüstungsbinnenmarkt zu schaffen. Kubilius legt Wert darauf, mehr Rüstungsgüter in der EU zu produzieren und eine starke industrielle Basis auf dem Kontinent zu schaffen – auch, um die Ukraine weiterhin mit Waffen und Munition zu unterstützen.
Finanzierung: Der Litauer will deutlich mehr für Verteidigung ausgeben. Die Kreditvergabepolitik der Europäischen Investitionsbank müsse sich dafür weiterentwickeln und der nächste mehrjährige Finanzrahmen solle größere Ausgabenlinien für Verteidigung und Raumfahrt enthalten. Auch könnten die EU-Mitgliedstaaten ihre Verteidigungshaushalte erhöhen.