Bernhard Stehfest
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Ein Bürgerfonds kann als Sonderform eines Staatsfonds verstärkt Vermögen in Bürgerhand schaffen. Die Bundesrepublik genießt aufgrund ihrer sehr guten Bonität seit Jahrzehnten einen erheblichen Zinsvorteil bei der Aufnahme von Staatsschulden. Dieser Zinsvorteil, der auf einem effizienten Staat mit einer durchsetzungsfähigen Steuerverwaltung sowie einer leistungsfähigen Volkswirtschaft beruht, soll künftig stärker mit den Bürgern geteilt werden, als es derzeit der Fall ist.
Ein von der Bundesbank geleiteter Bürgerfonds soll daher zu günstigen Konditionen Geld am Anleihemarkt aufnehmen und gewinnbringend global anlegen, wobei ein passender Mix von Aktien, Anleihen und anderen Anlageformen zu suchen ist. Ein Teil der fungiblen Assets der Bundesrepublik soll dem Bürgerfonds unter Leitung der Bundesbank zugeordnet werden. Es sind auch weitere Finanzierungsquellen möglich, unter anderem die Überschüsse der Bundesbank aus ihrer regulären Geschäftstätigkeit. Als Vorbilder für den deutschen Bürgerfonds können bewährte Elemente und Strukturen der Staatsfonds aus Norwegen, Schweden oder des Pensionsfonds aus Kalifornien gelten.
Ein Bürgerfonds mit der Zielgröße von 1,3 Billionen Euro soll zwischen 2019 und 2067 aufgebaut werden. Jedem berechtigten Bürger soll mit dem Erreichen einer Altersgrenze von 65 Jahren sein Anteil in einer Einmalzahlung zugeteilt werden. Ab den 50er Jahren des 21. Jahrhunderts wird es sich dabei um Beträge über 15.000 Euro handeln, was insbesondere für ärmere Bevölkerungsschichten ohne Vermögen einen größeren Posten darstellt. In den Folgejahren steigt der Auszahlungsbetrag. Um die Eigentumsbildung der Bürger auch in jüngeren Lebensjahren anzuregen, soll der Fondsanteil idealerweise bei einer Kreditaufnahme beleihbar sein.
Deutschland ist grundsätzlich ein wohlhabendes Land. Das private Geldvermögen beträgt knapp 6 Billionen Euro1, sonstige Vermögensarten nochmals geschätzt bis zu 7 oder 8 Billionen Euro. Dies liegt ein Vielfaches über dem Wert des Bruttoinlandsprodukts von 3,3 Billionen Euro. Dennoch ist der deutsche Bürger im internationalen oder europäischen Vergleich nicht besonders wohlhabend. So beträgt das Medianvermögen hierzulande 47.000 Dollar. In Frankreich liegt es bei knapp 100.000 Dollar, in Italien bei 104.100 Dollar und sogar noch im Krisenstaat Griechenland bei 55.300 Euro2.
Innerhalb der ärmeren 50 Prozent der Deutschen besitzen viele nur ein geringes oder auch gar kein Vermögen. Ohne finanzielle Rücklagen können jedoch Lebensrisiken und Altersvorsorge nur unzureichend selbst bewältigt werden. Laut einer Umfrage verfügen 27 Prozent der Bundesbürger über keinerlei Ersparnisse, was den zweithöchsten Wert in Europa darstellt3.
Das drastisch erscheinende Bild bedarf gleichwohl einer Relativierung: Der Lebensstandard in Deutschland ist nach wie vor hoch, auch aufgrund öffentlicher Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und sozialstaatlicher Leistungen. Wegen des rund laufenden Arbeitsmarkts steigen die Löhne und die Beschäftigung hat Höchststände erreicht. Auch sind die internationalen Vergleiche nur begrenzt aussagekräftig. In Südeuropa mag die Wohneigentumsquote deutlich höher als in Deutschland sein4, aber fehlende Job-Perspektiven drängen viele zur Auswanderung.
Auch wenn der Status Quo in Deutschland mit Blick auf die materielle Lage seiner Bürger aktuell noch befriedigend sein mag, so besteht perspektivisch Handlungsbedarf. Der demografische Wandel sowie der absehbare Renteneintritt der geburtenreichen Baby-Boomer-Jahrgänge erfordern eine stärkere Vermögensbildung in Bürgerhand.
Strukturell hat der Anteil von Kapitaleinkommen am Bruttoinlandsprodukt zulasten von Arbeitseinkommen deutlich zugelegt5. Das würde dafür sprechen, Bürger stärker an Aktien, Anleihen oder Immobilien zu beteiligen. Jedoch steht dieser Weg nur einer Minderheit der Deutschen offen. Denn er erfordert nicht nur größere, frei verfügbare Vermögensposten, sondern auch vertiefte Fachkenntnisse in der Kapitalanlage, Risikobereitschaft und die Fähigkeit, wirtschaftliche Verluste alleine zu tragen, ohne in Existenznöte zu kommen. Zudem weisen etwa Aktieninvestments im kleinen Stil überproportional hohe Gebühren und Transaktionskosten auf. Dies gilt auch für die staatlich geförderten Riester- und Rürup-Renten, an denen starke Gewinninteressen der finanzwirtschaftlichen Intermediäre zulasten der Rentenempfänger bestehen6. Der Erwerb von Immobilien wiederum ist aufgrund der stark gestiegenen Preise außerhalb der Reichweite auch vieler Besserverdiener in Deutschland.
Da also viele Deutsche nicht in der Lage sind, eigenes Vermögen zu bilden, wird als Hilfsmittel der Aufbau eines Bürgerfonds vorgeschlagen. Dieser ist eine Variante der weltweit verbreiteten Staatsfonds (auch bekannt als „Sovereign Wealth Funds“). Der Name „Bürgerfonds“ soll deutlich machen, für wessen Wohlfahrt der Fonds arbeitet.
Ein Staatsfonds setzt methodisch am sogenannten Volks- oder Nationalvermögen an, d.h. an den gemeinschaftlich erwirtschafteten Werten eines Staates7. Die Grundidee besteht darin, den Blick auf die Aktivseite der staatlichen Vermögensbilanz zu richten. Ziel ist es, neben den Kosten einen Teil der Erträge einer Volkswirtschaft stärker zu sozialisieren, als es ohne einen solchen Fonds möglich wäre. Ihren Ursprung nahmen Staatsfonds in Ländern mit großen Vorkommen an Öl oder anderen Rohstoffen. Die Pioniere dieser Investmentvehikel wurden dabei von zwei Gedanken geleitet, von Gerechtigkeitsaspekten ebenso wie von Nachhaltigkeit. So soll ein Teil der Gewinne aus Bodenschätzen vom Staatsgebiet allen Bürgern gleichermaßen zugutekommen8. Gleichzeitig soll mit dem Staatsfonds für die Zeit vorgesorgt werden, wenn die Rohstoffe einmal versiegen und andere Einnahmequellen vonnöten sind. Erträge werden daher nicht unmittelbar verteilt, sondern langfristig gewinnbringend angelegt.
Der erste Staatsfonds in diesem Sinne wurde 1953 in Kuweit gegründet. Aus ihm ging die heutige Kuwait Investment Authority hervor9, die mit insgesamt 524 Mrd. Dollar zu den größten Sovereign Wealth Funds weltweit gehört10. Auch heute sind viele Staatsfonds in rohstoffreichen Ländern beheimatet, darunter Norwegen, Russland, Malaysia, die Vereinigten Arabischen Emirate oder Saudi-Arabien. Die jeweiligen makroökonomischen Ziele unterscheiden sich bisweilen von der oben skizzierten Grundidee.
Staatsfonds sind jedoch keineswegs auf Rohstoffländer oder -regionen beschränkt. Vergleichbare große Kapitalsammelstellen zur langfristigen Anlage gibt es auch in Schweden, Singapur, China, Japan oder – als Pensionsfonds für Beamte – in Kalifornien. Das zeigt, dass es auch ohne Bodenschätze möglich ist, einen Teil der Gewinne aus effizienter Staatstätigkeit und/oder überlegener volkswirtschaftlicher Leistung in größerem Umfang und in organisierter Weise anzulegen und mit Bürgern zu teilen.
Grundsätzlich ist die Errichtung eines Bürgerfonds auch in Deutschland möglich. Hierzulande ergänzen sich ein effizienter Staat und dessen durchsetzungsfähige Steuerverwaltung mit den Leistungen innovativer Unternehmen und ihrer produktiven Arbeitnehmer. Aus dieser seit Jahrzehnten bestehenden Synergie ergibt sich die Bestnote für die Bonität der Bundesrepublik, wie sie durch die großen Ratingagenturen ermittelt wird11. Dies ist ein erster Ansatzpunkt zum Aufbau eines Bürgerfonds: Staaten mit zuverlässiger Rechtsstruktur und geordneten Finanzen können am Finanzmarkt viel billiger Mittel aufnehmen als andere Länder oder auch mit Bestnote bewertete private Schuldner. Momentan begünstigt dies vor allem das Bundesfinanzministerium und dessen Ausgabenpläne, die von politischen Erwägungen geleitet sind und nicht immer der Logik eines Gemeinwohls gehorchen. Mit einem Teil des derart günstig geliehenen Kapitals kann aber auch ein Bürgerfonds höher rentierliche Investitionen zum Wohl der allgemeinen Bevölkerung tätigen.
Ein Bürgerfonds würde zudem einen Teil der Ungleichheit im bestehenden System der Staatsfinanzen abmildern. Während Vermögen in der Spitze bei wohlhabenden Haushalten konzentriert sind, sind Staatsschulden auf alle Schultern verteilt12. Die Zinsen auf die (vor der Nullzinsphase aufgenommenen) Verbindlichkeiten müssen von allen Steuerzahlern erwirtschaftet werden. Wohlhabende Personen zahlen mehr Steuern, erhalten aber im Gegensatz zur Masse der Bürger wieder Zinsen zurück, zumindest wenn sie entsprechend langlaufende und positiv verzinste Papiere rechtzeitig aufgenommen haben. Sollte die Nullzinsphase der Europäischen Zentralbank zu einem Ende kommen, würde sich diese momentan gebremste Unwucht in der Vermögensverteilung wieder verstärken. Ein Bürgerfonds könnte diese anhalten, wenn nicht ein Stück weit ausgleichen.
Nicht alle öffentlich gehaltenen Vermögen sind Staatsfonds. Eine Arbeitsgruppe des Internationalen Währungsfonds (IWF), aus der später das International Forum on Sovereign Wealth Funds (IFSWF)13 hervorging, hat 2008 folgende Definition vorgestellt: Ein Staatsfonds verwaltet öffentliches Vermögen in speziellen Fonds mit makroökonomischen Zielen, wobei zumindest ein Teil im Ausland angelegt wird14. Weltweit gibt es demnach 79 solcher Staatsfonds15. Der IWF selbst unterscheidet zwischen fünf Arten von Staatsfonds16:
Ergänzend wird bisweilen noch der direkte Ausschüttungsfonds genannt. Hier wird ein Teil des vom Staatsfonds erwirtschafteten Gewinns jährlich an die Bürger ausgeschüttet. Diesen Typus gibt es allerdings lediglich im US-Bundesstaat Alaska. Auch dieser beruht auf Einnahmen aus der Ölförderung17. Alaska ist Vorbild für die Idee der „sozialen Dividende“ zur Abmilderung von Vermögensungleichheit18.
Für Deutschland unpassend sind offensichtlich die Typen 1., 3. und 4.. Ein direkter Ausschüttungsfonds wiederum macht es schwierig, langfristig zu investieren, wenn ein Teil der Gewinne frühzeitig ausbezahlt wird. Damit bleiben als Modelle für den deutschen Bürgerfonds Typ 2., Typ 5. oder eine Mischung ihrer Gestaltungselemente übrig.
Staatsfonds haben vielfach erhebliche Größen erreicht und sind wichtige Spieler auf den internationalen Finanzmärkten. Die Tabelle19 zeigt beispielhaft unterschiedliche Fonds und deren Dimensionen.
Land oder Region | Staatsfonds | Vermögen in Dollar | Finanzierung | Gründung |
---|---|---|---|---|
Japan | Japan Government Pension Investment Fund (GPIF) | 1.300 Mrd. | Diverses | 2006 |
Norwegen | Government Pension Fund Global | 1.035 Mrd. | Öl | 1990 |
China | China Investment Corporation | 900 Mrd. | Diverses | 2007 |
VAE | Abu Dhabi Investment Authority | 828 Mrd. | Öl | 1976 |
Kuwait | Kuwait Investment Authority | 524 Mrd. | Öl | 1953 |
Kalifornien | California Public Employees’ Retirement System (Calpers) | 352 Mrd. | Diverses | 1932 |
Singapur | Temasek Holdings | 321 Mrd. | Diverses | 1974 |
Damit reichen sie aber nicht an die größten privaten Asset Manager heran. Der größte US-Vermögensverwalter, BlackRock, verwaltet 6.300 Mrd. Dollar an Kundengeldern. Vanguard kommt auf rund 5.000 Mrd. Dollar.
Im Folgenden wird ein mögliches Konzept eines Bürgerfonds vorgestellt. Es handelt sich hier um eine von mehreren möglichen Gestaltungsalternativen innerhalb der oben erwähnten Modelle Spar- oder Pensionsfonds. Das gesamte Konzept hat neue Elemente, orientiert sich aber auch an erfolgreichen Vorbildern sowie an Leitlinien, wie sie etwa vom International Forum on Sovereign Wealth Funds niedergelegt wurden20.
Die Bundesbank ist als eine an politische Unabhängigkeit gewohnte Institution besonders zur Leitung geeignet. Sie hat auch bereits das Mandat zur Verwaltung des Bayerischen Pensionsfonds für Beamtenruhegelder21. Dagegen würden abhängige Leitungen eines Staatsfonds ordnungspolitische Probleme aufwerfen. Daher sollte keinesfalls etwa eine Abteilung des Bundesfinanzministeriums oder die mit der Ausgabe von Staatsanleihen betraute Finanzagentur GmbH für den Bürgerfonds alleine zuständig sein.
Grundlegend lässt sich das wie folgt begründen: Demokratien sind die Staatsformen, die die individuellen Rechte der Bürger und deren gemeinsames Wohl nachhaltig befördert haben. Ein wesentliches Element demokratischer Kontrolle bestand und besteht in der Gewaltenteilung, die den bisweilen emotional gefassten plebiszitären Mehrheitsentscheidungen rational und auf längere Sicht handelnde Institutionen zur Seite gestellt hat. Ein wichtiges Element ist die geografische Gewaltenteilung im Föderalismus. Bekannter sind die klassischen Teilgewalten der Legislative, Exekutive und Jurisdiktion. Eine zunehmende Bedeutung haben in allen entwickelten Staaten die monetären Gewalten der Notenbank und des Finanzwesens gewonnen22. Gerade am Beispiel der Bundesbank hat sich gezeigt, dass deren Unabhängigkeit und Besetzung mit ausgewiesenen Fachleuten für die Bundesrepublik hilfreich war. Auch wenn ihre geldpolitische Kontrollfunktion mit der Euro-Einführung notwendigerweise eingeschränkt ist, besteht nach wie vor eine handlungsfähige Organisation, die mit neuen Kompetenzen ausgestattet werden kann.
Ein deutscher Bürgerfonds darf nicht mit anderen staatlichen oder staatsnahen Aufgaben wie etwa Autobahnbau oder Gesundheitsversorgung betraut werden. Auch wenn seine Verwendung für außerordentliche Staatsaufgaben oder Notlagen theoretisch denkbar ist, beinhaltet dies unter Umständen die Gefahr einer klientelgelenkten Mittelverwendung durch die gewählten Volksvertreter und muss vermieden werden. Bereits der Anschein von politisch motiviertem Wirtschaften oder anderer Unregelmäßigkeiten führt zu Reputationsverlust auf den internationalen Finanzmärkten und gefährdet damit die Investitionsziele des Fonds. Hierfür gibt es immer wieder Beispiele, wie etwa zuletzt die Skandale um den 1Malaysia Development Berhad (1MDB)23. Staatsfonds, die politisch abhängig oder auch besonders intransparent sind, verletzen Grundregeln einer guten Governance dieser Institutionen. Aber auch Staatsfonds, die in dieser Hinsicht als vorbildlich gelten, können sich bisweilen politischen Begehrlichkeiten nach vorzeitigen Ausgaben und Auszahlungen ausgesetzt sehen, wie es 2016 in Norwegen der Fall war24.
Das im deutschen Bürgerfonds gesammelte Vermögen gehört allen Bürgern zu gleichen Teilen. Damit sind alle Berechtigte, reiche wie arme, mit einem Grundvermögen ausgestattet, auch wenn sie eine wesentliche Eigenschaft von Eigentum, nämlich die volle Verfügungsgewalt darüber, zunächst nicht innehaben. Es ist es ihnen eindeutig zugeteilt und unterliegt so dem Eigentumsschutz des Grundgesetzes. Dass auch wohlhabenden Bürgern ihr staatlicher Vermögensanteil zugewiesen wird, folgt dem Gleichheitsgrundsatz.
Der Bürgerfonds enthält dennoch zwei starke umverteilende Elemente. So fallen den Berechtigten ein Teil der Effizienz- und Produktivitätsgewinne zu, über die momentan der Staat durch Steuern und Zinsvorteile bei der Ausgabe von Anleihen verfügen kann (vgl. Abschnitt 2). Diese Gewinne werden jedoch von allen Bürgern gemeinsam erwirtschaftet. Daher kann die Verteilung zumindest eines Teils der Erträge auf alle Köpfe mit Gerechtigkeitsargumenten begründet werden. Weiterhin trägt der Bürgerfonds zur Generationengerechtigkeit bei, indem er Bürgern, die altersbedingt nicht mehr oder nicht mehr voll am Erwerbsleben teilnehmen können, eine Ansparleistung zur Verfügung stellt, die auf jedermanns Beitrag beruht.
Eine teilweise Verfügungsgewalt über das im Bürgerfonds angesparte Vermögen kann der Bürger beispielsweise dadurch erhalten, dass er durch seinen bestätigten Vermögensanteil kreditfähig wird. Dies sollte vernünftigerweise jeweils nur für einen einzigen definierten Kredit gelten, dem erst nach seiner Ablösung ein zweiter folgen darf. So könnte der Bürgerfonds dazu beitragen, etwa mit kreditfinanziertem Erwerb einer ersten Immobilie oder einem Kredit zur beruflichen Selbständigkeit die weitere Vermögensbildung gerader jüngerer Bürger zu stimulieren. An der verbürgten Sicherheit darf sich aber auch die Bank erst zum Zeitpunkt der Auszahlung befriedigen. Die Ansparsumme soll von der Bürgschaft unbeeinflusst bleiben. Diese Kreditfähigkeit wäre eine optionale Ergänzung, mit welcher der Bürgerfonds den Erwerb von Eigentum erleichtert.
Wenn Teile oder sogar die Gesamtheit der staatlichen Schuldenaufnahme oder der Steuerüberschüsse für den Aufbau eines Bürgerfonds genutzt werden, stehen diese Mittel der Politik nicht zur Erweiterung von Budget und Ausgaben zur Verfügung. Bei einer Verwaltung der Bürgerfonds-Mittel durch die Bundesbank sind sie dem Einfluss von Exekutive und Legislative teilweise entzogen. Die Bürger werden als unmittelbare Vermögensteilhaber auch aufmerksamer über die Staatsfinanzen wachen, als es derzeit der Fall ist. Ein mit Blick auf nachhaltige Staatsfinanzen positiver Nebeneffekt des Bürgerfonds ist es, dass die Ausweitung der Nettoverschuldung des Staates gebremst wird – den Schulden des Fonds stehen stets fungible Vermögenswerte gegenüber.
Der Aufbau eines Bürgerfonds, der 2019 beginnt, dauert bis in die 2060er Jahre und ist damit eine Generationenaufgabe. Auch ohne Öl-Vorkommen wie Norwegen hat Deutschland gute Voraussetzungen, den Aufbau eines Bürgerfonds gerade jetzt in Angriff zu nehmen: Eine Wirtschaft in Hochkonjunktur, deutlich überschießende Steuereinnahmen und die Möglichkeit, Geld zu Nullzinsen zu leihen.
Um die Abhängigkeit von teils externen Einflüssen einzuschränken und um den Fondsaufbau gegebenenfalls beschleunigen zu können, liegt es nahe, mehrere Finanzierungsquellen zu nutzen. Letztlich sollen dem Bürgerfonds mit verschiedenen Maßnahmen jährlich circa 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zugewiesen werden, um das Zielvolumen von 1,3 Billionen Euro zu erreichen. Der Bürgerfonds könnte sich aus folgenden Quellen speisen:
Das Investment-Portfolio von Staatsfonds ist je nach deren makroökonomischer Zielsetzung unterschiedlich. Stabilisierungsfonds müssen über einen Teil der Mittel kurzfristig verfügen können. Bei Spar- und Pensionsfonds überwiegen längerfristige Investments. Auch das Risiko-Rendite-Profil und die geografische Streuung sind jeweils unterschiedlich. Schließlich spielt auch die Liquidität der gehaltenen Assets eine Rolle: US-Treasuries, Bundesanleihen oder Blue-Chip-Aktien können schnell verkauft oder umgeschichtet werden. Bei direkten Unternehmensbeteiligungen oder Infrastrukturinvestments ist das nicht möglich.
Beispielsweise investiert der als erfolgreich geltende norwegische Staatsfonds 66,2 Prozent in Aktien, 31,2 Prozent in Anleihen und 2,7 Prozent in Immobilien. Das umfasst 9.000 Unternehmen in 72 Ländern30.
Schweden betreibt zwei separate Pensionsfonds, einen mit Aktien und einen mit Anleihen; wenn der Bezugsberechtigte das Alter von 55 erreicht hat, wird automatisch in den risiko-ärmeren Anleihefonds umgeschichtet. Die schwedischen Bürger können dem jedoch widersprechen und Anlageentscheidungen selbst treffen31.
Der kalifornische Beamten-Pensionsfonds Calpers investiert 48 Prozent in global gestreute Aktien, knapp 20 Prozent global gestreute Anleihen, 9 Prozent in Immobilien und 8 Prozent in Direktbeteiligungen an Unternehmen. Der Rest entfällt auf sonstige Investments und Liquidität32.
Es ist sicher verfrüht, ein genaues Investment-Portfolio des deutschen Bürgerfonds festlegen zu wollen. Grundsätzlich sollten die Gelder global in Aktien, in Anleihen und in Immobilien investiert werden, wobei auf eine ausreichende Risiko-Diversifikation zu achten ist. Dabei sollten Anteile an deutschen Unternehmen unter 3 Prozent bleiben, um den Bürgerfonds nicht als Hauptanteilseigner zu missbrauchen. Geldmarkt- und Deviseninvestments sollten auf das für den Betrieb des Bürgerfonds notwendige Minimum beschränkt bleiben: Der Bürgerfonds darf keine Ersatz-Notenbank werden, auch wenn er von der Bundesbank betrieben wird. Alternative Anlageformen wie etwa unternehmerische Direktbeteiligungen oder Forstland sollten in einem gewissen Rahmen auch möglich sein. Das Management eines so breit diversifizierten Investmentfonds müsste die Bundesbank auf mehrere Schultern verteilen. Die Asset-Manager mit der jeweils höchsten Expertise in der jeweiligen Assetklasse sollten dann volumenangepasste Teilfonds managen. Über die Ergebnisse der Investments und deren Bewertung muss regelmäßig öffentlich berichtet und Rechenschaft abgelegt werden.
Ein deutscher Bürgerfonds mit einem Volumen von 1,3 Billionen Euro wäre mit Japan und Norwegen einer der größten Staatsfonds der Welt. Hier gibt es die Frage, ob ein solch großer Spieler das Geschehen am globalen Finanzmarkt dominieren oder sogar für Verwerfungen sorgen könnte. Dies dürfte jedoch nicht der Fall sein. Die Marktkapitalisierung aller Aktienunternehmen weltweit beträgt circa 60 Billionen Dollar. Da sollten 1 bis 3 Billionen Euro oder Dollar den Aktienmarkt nicht wirklich stören können. Aus heutiger Sicht ist nicht erkennbar, dass einer dieser Staatsfonds etwa plötzlich eine ausbleibende Geldnachfrage bewirken könnte. Selbst als China als eines der weltgrößten Gläubigerländer den Ankauf von US-Staatsanleihen massiv zurückgefahren hatte, gab es keine Probleme am internationalen Anleihemarkt. Solange private Vermögensverwalter wie BlackRock 6.300 Mrd. und Vanguard rund 5.000 Mrd. Dollar anlegen, also fast 18 Prozent des börsennotierten Aktienvolumens, kann ein Bürgerfonds in deutlich geringerer Dimension keinen größeren Einfluss nehmen oder Schaden anrichten als diese Geldverwalter. Große Staats- oder Pensionsfonds können aufgrund ihrer Größe auch ihre Vermögenswerte nicht kurzfristig liquidieren und so für Marktverwerfungen sorgen. Eher ist davon auszugehen, dass sie für mehr Stabilität auf den Finanzmärkten sorgen.
Bei einer geringeren Schuldenaufnahme des Bundes stünde die Bundesrepublik etwas weniger als bisher als „sicherer Hafen“ für große Investoren zur Verfügung. Damit müsste sich das private Kapital wieder verstärkt den Weg in die Unternehmens- oder Konsumfinanzierung suchen, wobei es auf den Aktienmärkten auf die Kaufkraft des Staatsfonds träfe. Die Deutschen hielten privat im Jahr 2017 rund 6 Billionen Euro monetäres Vermögen und 7 bis 8 Billionen Euro Immobilien- und Sachvermögen. Ein Bürgerfonds könnte zusätzlich geschätzt 10 bis 20 Prozent an privatem Vermögen schaffen, dieses also keineswegs verdrängen. Auf einem globalen Markt kann der Bürgerfonds die Anlagemöglichkeiten privater Vermögen nicht einschränken.
Die deutsche Finanzwirtschaft hätte mit der zu Selbstkosten arbeitenden Bundesbank jedoch eine gewisse Konkurrenz. Entsprechenden Überlegungen steht die Branche daher ablehnend gegenüber33. Jedoch dürfte gerade die vermögendere Hälfte der Deutschen weiterhin private Vorsorge- und Anlagemöglichkeiten nutzen, auch weil sich hier mit höherem Risiko höhere Renditen erzielen lassen und zudem über die Gewinne frei verfügt werden kann. Aus Schweden oder Norwegen ist nicht bekannt, dass die dortigen Staatsfonds zu einem Bankensterben geführt hätten. Für Deutschland wäre eine moderate Bereinigung des übervölkerten34 Bankensektors sogar wünschenswert, eine Aufgabe, vor der die Politik und die Branche seit Jahren zurückschrecken35.
Die folgenden Berechnungen sollen beispielhaft darstellen, unter welchen Annahmen ein Bürgerfonds aufgebaut und welche Vermögen den Berechtigten ausgezahlt werden können.
Die Auszahlungen aus dem Bürgerfonds sind in den ersten Jahrzehnten der Ansparphase naturgemäß noch niedrig. Das ist bei einem langfristigen Vermögensaufbau nicht verwunderlich. In den späteren Jahren bzw. nach rund einer Generation erreichen sie mit einigen zehntausend Euro jedoch eine Größe, welche das Vermögen der materiell unteren Bevölkerungshälfte oft übersteigt. Damit ist für viele Bürger eine Verbesserung gegeben. Sicher ist, dass der Bürgerfonds eine zunehmende Suffizienz ermöglicht, das heißt eine ausreichende Vermögensteilhabe der ärmeren Schichten. Zudem kann der Eigentumsaufbau in Bürgerhand erleichtert werden, wenn der Anteil am Bürgerfonds-Vermögen als beleihungs- und damit kreditfähig eingestuft wird, wie in Abschnitt 4 beschrieben.
Ein deutscher Bürgerfonds kann nur dann erfolgreich zum Vermögensaufbau in der Bevölkerung beitragen, wenn einige Grundbedingungen dauerhaft erfüllt werden:
Unter Einhaltung dieser Bedingungen kann der Bürgerfonds sein Ziel erreichen, zunehmende Vermögensteilhabe ärmerer Schichten zu schaffen. Eine umverteilende Wirkung des Bürgerfonds findet sich darin, dass ein größerer Teil der steten volkswirtschaftlichen Effizienz- und Produktivitätsgewinne vom Staat zum Bürger fließen. Zudem findet ein Ausgleich zwischen den Generationen statt. Eigentumsrechte an staatlichem Vermögen dem Bürger zuzuordnen, entspricht den Grundprinzipien einer freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung und stärkt die Identifikation des Bürgers mit seinem Staat. Zudem spricht vieles dafür, dass eine vorausschauende staatliche Vermögensbildung die materielle Situation vieler Bürger effektiver verbessert als jede nachträgliche Umverteilung.
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