Bestehende Initiativen zum effektiven Schutz von Menschenrechten und Umwelt in der Lieferkette nicht schwächen, sondern Unternehmen aktiv darin bestärken
Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sind für europäische Unternehmen maßgebend. Daran orientieren sie schon heute ihre globalen Lieferbeziehungen und tragen europäische Standards über ihre internationalen Partner in die Welt. Doch bereits das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz zeigt, dass die Verrechtlichung und Bürokratisierung der Prozesse die Unternehmen über Gebühr belasten und das gemeinsame Ziel nicht fördern. Darüber hinaus würde die Richtlinie in ihrer aktuell diskutierten Form nicht einmal ein Level-Playing-Field auf europäischer Ebene schaffen, da keine Vollharmonisierung vorgesehen ist. Für deutsche Unternehmen würde es eine Reihe bestehender Maßgaben verschärfen und dadurch gerade mittelständische Unternehmen endgültig überlasten, ihnen teils Unmögliches abverlangen.
Kritisch ist insbesondere der Umfang der geplanten zivilrechtlichen Haftung. Es ist schlicht praxisfremd zu verlangen, dass Unternehmen aus den EU-Mitgliedstaaten für Pflichtverletzungen haften sollen, die in ihren Lieferketten geschehen – und dies noch weltweit. Selbst auf Ausnahmen wie eine „Safe Harbour“-Lösung konnten sich die Unterhändler im Trilog nicht verständigen. Stattdessen sollen Nichtregierungsorganisationen ohne demokratische Legitimation von eigenen Klagebefugnissen profitieren, während Unternehmen noch mit zusätzlichen Beweisregeln belastet werden könnten. Auf diese Weise können die oft unkalkulierbaren Haftungsrisiken dazu führen, dass sich Unternehmen aus betroffenen Regionen zurückziehen. Stattdessen hätte sichergestellt werden müssen, dass Unternehmen praxistaugliche Instrumente an die Hand bekommen, um den Anforderungen gerecht werden zu können. Dazu hätte u. a. eine zweifelsfreie Ausnahme des gesamten EU-Binnenmarkts gehört. Gleichfalls ist anzunehmen, dass sich internationale Geschäftspartner von ihren EU-Partnern abwenden, da ihnen die Auflagen zu hoch und Geschäfte in anderen Weltregionen leichter zu realisieren sind. Eine Richtlinie in solch invasiver Form schafft ein echtes Handelshemmnis und schwächt europäische Unternehmen im globalen Wettbewerb. Sie stellt Unternehmen unter Generalverdacht und riskiert kostenbedingte Entkoppelungen der Lieferketten. Der wichtigen Verbesserung der Lage in den Bezugsländern läuft dies zuwider. Das kann entwicklungspolitisch und im weiteren internationalen Kontext nicht gewollt sein. In der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten besteht zudem die Gefahr, dass Nichtregierungsorganisationen künftig die Vorlage von Klimaplänen betroffener Unternehmen einklagen können. Derart praxisfremde Regularien würden gravierende Auswirkungen auf unternehmerische Planbarkeit und Rechtssicherheit haben. Zudem werden damit die aktuellen Bemühungen der Kommission zum Abbau von Bürokratie auf lange Sicht konterkariert.
Die politische Einigung im Trilog fällt in eine Zeit der wirtschaftlichen Krise Europas. Aktuelle Zahlen, wie etwa die bereits wiederholt gesenkten Konjunkturprognosen der EU-Kommission, belegen dies. Der ökonomische Substanzverlust in der EU würde sich durch eine solche Lieferkettenrichtlinie weiter verschärfen. Schon die Vorgaben durch das deutsche Lieferkettengesetz haben dazu geführt, dass auch kleine und mittlere Unternehmen innerhalb ihrer Lieferbeziehungen von den Belastungen völlig überrollt wurden. Eine EU-Lieferkettenrichtlinie, wie nun geplant, hätte bürokratische Überlastungen und Rechtsunsicherheit in einer neuen Dimension zur Folge. Dies gilt neben der Haftung insbesondere für
Hinzu kommt, dass die zuständigen Behörden nicht ansatzweise in der Lage sein dürften, einen adäquaten Teil der erzeugten Unterlagen zu sichten. Dass die Kontrollfunktion über die Berichtspflichten durch die EU-Lieferkettenrichtlinie bzw. die Nachhaltigkeitsberichterstattungs-Richtlinie indirekt auf NGOs verlagert wird, ist bedenklich und erhöht rechtliche Unsicherheiten noch einmal zusätzlich.
Daher richten wir den dringenden Appell an Sie:
Bitte stoppen Sie die EU-Lieferkettenrichtlinie in ihrer derzeitigen Form durch eine Ablehnung in der Abstimmung der Botschafter im Ausschuss der Ständigen Vertreter und in der folgenden Abstimmung des Rates sowie im Europäischen Parlament! Gerade angesichts der multiplen Krisen brauchen die Unternehmen im Europäischen Binnenmarkt keine neuen Bürden, sondern Entlastung und Unterstützung durch Gesetzgeber und Regierungen. Das gelingt nicht durch ein abstraktes, praktisch nicht umsetzbares Pflichtenprogramm, sondern im Schulterschluss von Politik und Wirtschaft. Lassen Sie uns Nachhaltigkeit in der Lieferkette insgesamt neu denken. Die Wirtschaft steht für gemeinsame Lösungen bereit.
Die Unterzeichner sprechen für Unternehmen mit mehreren Millionen Beschäftigten in sämtlichen Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
Berlin/Frankfurt/Brüssel im Januar 2024
Registernummern Lobbyregister beim Deutschen Bundestag:Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e. V.: R001756; Der Mittelstandsverbund – ZGV e. V.: R001283; Stiftung Familienunternehmen und Politik: R000083; Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie e. V.: R002005; Verband der chemischen Industrie e.V.: R000476; Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V.: R000802; Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI e. V.): R002101 ID Numbers EU-Transparency Register:Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e. V.: 9922252784-95; Confederation of the German Textile and Fashion Industry: 630565418685-37; Der Mittelstandsverbund – ZGV e. V.: 196997510883-76; Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie e. V. 03004067068-71; Stiftung Familienunternehmen und Politik: 552069443013-09; Verband der Chemischen Industrie e.V.: 15423437054-40; Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V.: 9765362691-45; Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI e. V.): 94770746469-09