12/01/2013
Angelique Renkhoff-Mücke

Geht es uns zu gut?

Die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands in den letzten Jahren war beispielhaft. Überall werden wir nach dem Erfolgsrezept gefragt. Das Rezept war so einfach wie schlüssig:

  • klare Schritte in Richtung Nachhaltigkeit
  • Sicherung unserer Sozialsysteme, zum Beispiel durch die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre
  • Absenkung der Unternehmenssteuern zur Stärkung der Investitionskraft
  • Erhöhung der Arbeitsmarktflexibilität zur Steigerung der Erwerbstätigkeit
  • Umsetzung einer produktivitätsorientierten Lohn- bzw. Tarifpolitik mit dem Ziel der Stabilisierung und Senkung der Lohnstückkosten

Das Ergebnis war eine deutliche Senkung der Arbeitslosenzahlen, der Jugendarbeitslosigkeit und ein Anstieg der erwerbstätigen Älteren. Damit ist es Deutschland gelungen, im Benchmark des World Economic Forum von Platz 16 auf Platz 4 aufzusteigen.

Das „Erfolgsmodell Deutschland“ steht auf der Kippe. Die Koalitionsverhandlungen haben den Eindruck entstehen lassen, dass wir vergessen haben, was Deutschland in den letzten Jahren stark gemacht hat. Geht es uns zu gut, so dass wir glauben, jetzt alles rückabwickeln zu müssen?

Es geht um Einschränkungen der unternehmerischen Handlungs- und Anpassungsfähigkeiten in Zeiten höchster Volatilität: Insbesondere die im Koalitionsvertrag von Union und SPD vorgesehene Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns sowie die Einführung einer „Equal-Pay“-Frist bei der Zeitarbeit, die im Übrigen auch noch viel zu kurz bemessen ist, vermindern die unternehmerische Flexibilität und werfen Sand ins Getriebe des zuletzt so reibungslos laufenden Arbeitsmarkts. Genau diese arbeitsmarktpolitischen Instrumente aber waren überlebenswichtig für unsere Wirtschaft. Gerade mittelständische Familienunternehmen brauchen weiterhin Flexibilität, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein und das Rückgrat der deutschen Wirtschaft zu bleiben. Die genannten Einschränkungen vermindern die Flexibilität maßgeblich und erhöhen die Kosten.

Gesetzliche Mindestlöhne sind ein Eingriff in die Tarifautonomie und stellen den Erfolg der Sozialpartnerschaft als Basis für unsere Soziale Marktwirtschaft in Frage. Gesetzliche Mindestlöhne führen dazu, dass manche Arbeiten nicht mehr angeboten werden können, ins Ausland oder in die Schwarzarbeit abwandern. Mindestlöhne schmälern vor allem die Chancen für diejenigen, die es am Arbeitsmarkt ohnehin am schwersten haben: Langzeitarbeitslose, Geringqualifizierte und geringfügig Beschäftigte. Ihnen wird durch einen gesetzlichen Mindestlohn der Zugang zum Arbeitsmarkt versperrt.

Die Ausweitungen der Rentenleistungen (Mütterrente und Absenkung des Rentenalters für langjährig Versicherte) führen zu einer Umkehr auf dem Weg zur Nachhaltigkeit und der langfristigen Sicherung unserer Sozialsysteme!

Diese Pläne fressen die eingeleiteten Einsparungsmaßnahmen der letzten Jahre wieder auf und führen zu einer ungerechtfertigten Mehrbelastung der jüngeren Generationen.

Bereits in den letzten Jahren – speziell seit der Krise 2008/2009 – zeichnet sich ein Trend zu sinkender Produktivität, steigenden Löhnen und damit steigenden Lohnstückkosten ab. Diese Entwicklung müssen wir aufhalten. Andernfalls werden wir den erarbeiteten Wettbewerbsvorteil bald verloren haben, uns wirtschaftlich mittelfristig auf ein Durchschnittsniveau begeben und langfristig wieder auf einem der hinteren Plätze stehen. Die Zeiten, in denen Deutschland der „kranke Mann Europas“ war, sind uns allen noch in schmerzlicher Erinnerung. Ein Rückfall in solche Zeiten muss verhindert werden.

Energiepolitisch ist derzeit keine Linie zu erkennen, wie die drei Kernziele der Energiewende „Umweltverträglichkeit, Sicherheit, wettbewerbsfähige Preise“ zu erreichen sind. Deutschland hat heute schon die teuersten Energiekosten im internationalen Wettbewerb, die beispielsweise doppelt so hoch sind wie in den USA. Dies beeinflusst bereits heute Investitionsentscheidungen zu Lasten des Produktionsstandorts Deutschland.

Generell wünsche ich mir investive statt konsumptive Entscheidungen und Maßnahmen in Bildung, Infrastruktur, Forschung und Entwicklung, sowie die Unterstützung von energieeffizienten Maßnahmen, vor allem im Gebäudebereich, um die vorhandenen Potenziale zu unterstützen und auszubauen.

Zum Jahreswechsel wünsche ich mir bei der Umsetzung dessen, was sich als Koalitionsvereinbarung abzeichnet, Besinnung, besser sogar Rückbesinnung auf die Erfolgsrezepte der Sozialen Marktwirtschaft und die Agenda 2010.

Warema Renkhoff SE

WAREMA ist europäischer Marktführer für Sonnenschutztechnik und Steuerungssysteme mit Stammsitz im fränkischen Marktheidenfeld. Gegründet wurde WAREMA 1955 von Karl-Friedrich Wagner und Hans-Wilhelm Renkhoff. Seine Tochter Angelique Renkhoff-Mücke führt das Unternehmen seit 1998, seit 2001 als Vorstandsvorsitzende der Holding. Heute arbeiten 3.400 Mitarbeiter im In- und Ausland für WAREMA und erwirtschafteten einen Umsatz von 372 Millionen Euro (2012).