07/05/2024
Dr. Andreas Hettich, Beiratsvorsitzender der Hettich Gruppe

Was Familienunternehmen für mehr Wirtschaftskompetenz in Parlamenten tun können

Wir leben in bewegten Zeiten. Der Standort Deutschland fällt im Vergleich zu anderen Ländern zurück und die Politik tut zu wenig dagegen. Das scheint die einhellige Meinung zu sein.

Und es ist wirklich so, dass die Bedingungen in Deutschland und der EU durch eine massiv ausgeweitete Bürokratie und den lange unterschätzten demografischen Wandel deutlich schlechter werden. Es ist aber auch so, dass wir lange die Augen vor den Herausforderungen unserer Zeit, wie dem rasch fortschreitenden Klimawandel und der sich deutlich verändernden geopolitischen Lage verschlossen haben. Wir müssen vermutlich lernen, dass Deutschland und Europa nicht mehr länger der Nabel der Welt sind.

Mein Vater sagte mir immer, dass Unternehmer von „unternehmen“ und nicht von „unterlassen“ kommt. Als Unternehmer bin auch ich der Meinung, dass es unsere Pflicht als Unternehmer ist, die Herausforderungen aktiv anzunehmen und weniger in passive Jammerei zu verfallen. Wir denken als Familienunternehmen in Generationen und wollen daher unseren Kindern und Enkeln eine Welt hinterlassen, die lebenswert und sicher ist. Daher ist es an uns, die Rahmenbedingungen zu schaffen, die die Welt besser machen.

Zunächst sollten wir unsere Möglichkeiten als Entscheider im Unternehmen nutzen, um nachhaltiger zu werden. Nachhaltig im breitesten Sinne: wirtschaftlich, sozial und ökologisch. Dabei haben wir einen besonders starken Hebel. Zum Beispiel haben wir für unsere Firmenwagenflotte das „Verbrenner-Aus“ bereits für 2024 beschlossen. Das verbessert unsere eigene Ökobilanz, trägt aber auch dazu bei, die Verkehrswende insgesamt zu befeuern. Der Neuwagenmarkt in Deutschland ist stark durch Firmenfahrzeuge geprägt, der Privatmarkt hingegen durch Gebrauchtwagen. Wir fördern mit unserer Entscheidung direkt den Neukauf von E-Fahrzeugen und indirekt den Gebrauchtwagenmarkt.

Wir leben zum Glück in einer Demokratie. Das ist Recht und Pflicht zugleich. Die Rahmenbedingungen sind somit durch jeden Einzelnen von uns beeinflussbar und es gehört auch zu unserer demokratischen Pflicht, uns als Unternehmer in den politischen Diskurs einzubringen. Wir beklagen, dass Abgeordnete selten wirtschaftliche Zusammenhänge aus dem eigenen beruflichen Erleben kennen, scheuen uns aber zugleich, selbst aktiv zu werden. Das ist nicht unternehmerisch gedacht. Wenn wir die politischen Rahmenbedingungen beeinflussen und ändern wollen, müssen wir als Unternehmer auch aktiv werden.

Dafür gibt es vielfältige Möglichkeiten. Die wenigsten von uns werden sich damit gleich zur Wahl in ein Parlament stellen. Das wäre der direkteste, aber auch aufwendigste Weg. Etwas einfacher ist ein Engagement in einer der Wirtschaftsvereinigungen der Parteien, in den Parteien selbst, in Austauschen mit Politikern, Abgeordneten oder Ministern.

Will oder kann man selbst nicht aktiv werden, so könnte das Engagement der eigenen Mitarbeiter gefördert werden. Auch sie bringen wirtschaftliche Lebenserfahrung mit. Wer als Beschäftigte oder Beschäftigter längere Zeit in einem Familienunternehmen arbeitet, entwickelt wirtschaftliche Kompetenzen und bekommt ein Verständnis für marktwirtschaftliche Prozesse. Gerade dieses Denken in ökonomischen Zusammenhängen sollte in den Parlamenten gestärkt werden. Wir erleben ja häufig, dass manche Mandatsträger bereits in jungen Jahren eine Funktionärslaufbahn einschlagen und in ihre Abgeordnetentätigkeit mit geringer beruflicher Erfahrung einsteigen. Diese Einseitigkeit wird in der Öffentlichkeit zu Recht kritisch diskutiert. Familienunternehmen könnten einen Beitrag leisten, indem sie das politische Engagement ihrer Mitarbeiter unterstützen und ihnen politische Karrieren ermöglichen. Es wäre ein Weg, um den wirtschaftlichen Sachverstand in den Parlamenten zu erhöhen. Davon würde am Ende die gesamte Gesellschaft profitieren. Dies wäre ein Vorschlag in einer unternehmerischen Art und Weise, das heißt lösungsorientiert statt problemorientiert. Also zukunftsgewandt und optimistisch.

Hettich wurde 1888 gegründet und gehört heute zu den weltweit größten und erfolgreichsten Herstellern von Möbelbeschlägen. Stammsitz des Familienunternehmens ist Kirchlengern im Möbelcluster Ostwestfalen. Rund 8.600 Kolleginnen und Kollegen arbeiten gemeinsam daran, unsere zukunftsfähigen Lösungen in über 100 Länder zu liefern. In 2023 wurde ein Umsatz von 1,3 Milliarden Euro erzielt. Die Marke Hettich steht mit ihrem Unternehmensversprechen „It‘s all in Hettich“ für ein umfassendes Leistungsportfolio, das sich weltweit konsequent an den Bedürfnissen der Kunden orientiert. Nachhaltiges Handeln unter sozialen, gesellschaftlichen und ökologischen Aspekten hat dabei traditionell schon immer höchste Priorität.