Dr. Christoph Beumer
Die Familienunternehmen sind das Rückgrat der deutschen Wirtschaft“ – so heißt es landläufig. Nun ist es eine Binsenweisheit, dass ein zu stark belasteter Rücken zu Problemen führt. Daher scheint es angeraten, darüber nachzudenken, wie man das „Rückgrat der deutschen Wirtschaft“ entlasten oder zumindest stabilisieren kann.
Ich habe in meinen gut 30 Jahren als Unternehmer noch nie so viele Kolleginnen und Kollegen erlebt, die ernsthaft darüber nachdenken, ihre Unternehmerrolle aufzugeben und das zum Teil auch tun. Nicht, weil ihnen ihre Arbeit keinen Spaß mehr machen würde, sondern weil die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen ein erfolgreiches unternehmerisches Arbeiten immer stärker erschweren. Viele Menschen scheinen schlicht zu vergessen, dass zu jedem Arbeitnehmer zumindest auch ein Arbeitgeber gehört. Fachkräftemangel ist definitiv schwierig zu bewältigen, Unternehmermangel wäre für den Wohlstand und damit auch den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft eine Katastrophe.
Die „soziale Marktwirtschaft“ ist eine der wesentlichen Errungenschaften unserer Gesellschaft: die Stärkeren stützen die Schwächeren, und gleichzeitig tragen alle das zum gemeinsamen Ganzen bei, was in ihren Kräften liegt. Dieses Gleichgewicht gerät zunehmend aus der Balance: eine unreflektierte Anspruchsgesellschaft überfordert die Leistungsfähigen und -willigen mehr und mehr. Der Begriff „Work Life Balance“ bringt diesen Konflikt auf den Punkt, suggeriert er doch, dass wir entweder arbeiten oder leben. Dabei wird außer Acht gelassen, dass sinnvolle Arbeit Teil eines selbsterfüllten Lebens und Voraussetzung für den Erfolg einer jeden Gemeinschaft ist.
Wir als Unternehmer müssen uns die Frage stellen, welche Rolle wir hierbei in Zukunft wahrnehmen wollen. Eine wertebasierte Unternehmensführung – und dabei ist Wert etwas anderes als die Höhe des Gehaltschecks des Managements oder der Ausschüttungen für die Gesellschafter – hat sich über viele Jahrzehnte als eine gute Basis deutscher Wirtschaftskultur bewährt. Hierbei geht es vor allem um Respekt und Demut im Führen von Menschen und bei der Übernahme von Verantwortung.
Die drei Begriffe Populismus, Polarisierung und Polemik prägen dieser Tage den gesellschaftlichen Diskurs in einer Art und Weise, die Anlass zur Sorge geben. Eine unreflektierte Anspruchshaltung gepaart mit einer, wie Prof. Arist v. Schlippe es formuliert, „Empörungsgesellschaft“ sind eine Mischung, in der ein konstruktiver Diskurs kaum mehr möglich erscheint: Die Frage der Zuwanderung wird spätestens seit dem (für mich richtigen) „Wir schaffen das!“ alles andere als sachlich diskutiert. Wer sich nicht auf der Straße festklebt, nimmt den Klimawandel offensichtlich nicht ernst. Diese Empörungskultur führt so weit, dass sich im Rahmen der political correctness kaum mehr jemand traut dagegenzuhalten, wenn genderneutrale Toiletten als architektonische Meisterleistung der Neuzeit gefeiert werden.
Damit ich nicht missverstanden werde: Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann und damit verbunden die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, eine sinnvoll geregelte Zuwanderungspolitik, ein respektvoller, nicht diskriminierender Umgang miteinander und ganz sicher nicht zuletzt Nachhaltigkeit – alles hoch relevante Themen unserer Zeit. Nicht nur zu diesen würde ich mir einen respektvollen gesellschaftlichen Diskurs auf Augenhöhe wünschen. Stattdessen lassen wir uns als Gesellschaft zunehmend durch ein empörtes Talkshowniveau beeindrucken und schauen verschämt zu Boden, während bewährte Werte abgeschafft werden. Heute suchen wir alle unsere Mitte, sind wir alle „ganz bei uns“ – oft falsch übersetzt in: Wenn jeder an sich denkt, ist an jeden gedacht. So funktioniert eine Gemeinschaft nicht. Wenn das „Miteinander“, das „Füreinander“ nicht mehr stattfindet, bleibt die Übernahme von Verantwortung auf der Strecke. Und was ist Unternehmertum anderes?
Tue Recht und scheue niemanden“ – ein Satz, den mein Großvater schon zitiert hat. Wir sollten als Familienunternehmer unsere Vorbildfunktion wahrnehmen und werteorientiert arbeiten. Und hier dürfen wir selbstkritisch anmerken, dass sich auch das unternehmerische Handeln in den letzten Jahrzehnten nicht nur zum Positiven verändert hat. Wir als Familienunternehmen sollten den langfristigen Erfolg anstreben, anstatt dem kurzfristigen Gewinn nachzujagen, wir sollten mit unseren (auch finanziellen) Möglichkeiten verantwortungsvoll und angemessen umgehen, wir sollten das „Unternehmertum mit Handschlagqualität“ mit all unseren Stakeholdern, auch mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vorleben. Dann können wir in der Diskussion mit einer mehr und mehr unreflektierten Anspruchs- und Empörungsgesellschaft authentisch und glaubhaft unsere Positionen vertreten. So werden wir dem Anspruch gerecht, „Rückgrat der deutschen Wirtschaft“ zu sein.
Darüber lohnt es sich sicher einmal nachzudenken, denn das Rückgrat beginnt im eigenen Kopf.
Dieser Kommentar erscheint in Kooperation mit der Stiftung Familienunternehmen und Politik. Alle Texte auf www.familienunternehmen-politik.de
Die BEUMER Group ist ein international führender Hersteller von Intralogistiksystemen in den Bereichen Fördern, Verladen, Palettieren, Verpacken, Sortieren und Verteilen. Mit 5.100 Mitarbeitern erwirtschaftet die BEUMER Group einen Jahresumsatz von etwa 1,1 Mrd. Euro. Die BEUMER Group und ihre Gruppengesellschaften und Vertretungen bieten ihren Kunden weltweit Systemlösungen sowie ein ausgedehntes Customer-Support-Netzwerk in zahlreichen Branchen, wie Schütt- und Stückgut, Nahrungsmittel/Non-food, Bauwesen, Versand, Post und Gepäckabfertigung an Flughäfen.