Das Bundesverfassungsgericht hat mit dem Urteil vom 17.12.2014 über die Verfassungsmäßigkeit der Erbschaftsteuer erneut entschieden. Zum dritten Mal wurden die Regelungen des deutschen Erbschaftsteuerrechtes zumindest teilweise für verfassungswidrig erklärt. Insgesamt leben wir seit 28 Jahren mit einem verfassungswidrigen Erbschaftsteuergesetz, da die erste Entscheidung aus dem Jahre 1995 die Verfassungswidrigkeit seit 1987 festgestellt hat.
Bei einem Erbschaftsteueraufkommen von ca. fünf Milliarden Euro im Jahr 2014 – dies entspricht weit weniger als einem Prozent des gesamten Steueraufkommens – verwundert das Festhalten an der Erbschaftsteuer insgesamt, zumal im europäischen Vergleich einige Länder gar keine Erbschaftsteuer mehr kennen.
Positiv zu vermerken ist, dass aufgrund des Bundesverfassungsgerichtsurteils die bestehenden Verschonungsregelungen für Übergänge von auch großen Betriebsvermögen im Grundsatz für verfassungsgemäß bestätigt wurden. Lediglich einzelne Punkte wurden für unverhältnismäßig erklärt. Eine sogenannte Bedürfnisprüfung für große Betriebsübergänge soll eingeführt werden.
Diese Änderungen werden es jedoch in sich haben, schaut man auf die derzeitige Diskussion. Eine große Anzahl – auch mittelständischer Unternehmen – wird von dieser „Verschonung“ verschont bleiben!
Bei der anstehenden Reform der Erbschaftsteuer handelt es sich um eine zentrale Weichenstellung, ob und wie die in Deutschland einmalige Unternehmerlandschaft mit ihren Familienunternehmen bestehen bleiben kann. Familienunternehmen sind der Motor der deutschen Wirtschaft und als Arbeitsplatzgarant anerkannt, in der Finanzkrise der vergangenen Jahre wurde dies in beeindruckender Weise unter Beweis gestellt, selbst in Krisenzeiten kommt es meist nicht zu einem Stellenabbau.
Das Unternehmen Merck geht auf das Jahr 1668 zurück. Aus der Engel-Apotheke entwickelte sich ein Weltkonzern mit bald 50.000 Mitarbeitern weltweit, der aus dem hessischen Darmstadt geleitet wird und noch zu 70 Prozent in Familienhand steht. In den vergangenen Jahren wurden über 30 Milliarden Euro in Akquisitionen und den Ausbau des deutschen Hauptquartiers investiert. Diese einzigartige Erfolgsgeschichte war nur dadurch möglich, dass die Familie über Jahrhunderte konsequent die Gewinne in die Entwicklung des Unternehmens reinvestiert hat.
Unsere Familie ist bereits in der 13. Generation Eigentümerin des Unternehmens. Wir denken in Generationen, nicht in Quartalen. Unsere Gesellschafter verstehen sich als Treuhänder für die kommenden Generationen.
In Deutschland beschäftigen wir derzeit 12.000 Mitarbeiter – wohl wissend, dass jeder Arbeitsplatz im Konzern weitere Arbeitsplätze in der Zulieferindustrie nach sich zieht.
Wir sind fest davon überzeugt, dass der Erhalt und die Neuschaffung von Arbeitsplätzen gerade in diesen Zeiten eine der wichtigsten Notwendigkeiten und Herausforderungen ist, welche auf Deutschland zukommen.
Das Ausmaß der Betroffenheit aufgrund der aktuellen Diskussionen zur Reform der Erbschaftsteuer zeigt ein Erbfall aus dem Gesellschafterkreis im letzten Jahr. Hierbei ist Betriebsvermögen in Höhe von ca. 400 Mio. Euro sowie Privatvermögen in Höhe von zehn Mio. Euro auf die nächste Generation übergegangen. Im Falle einer Nicht-Verschonung würden auf die 410 Mio. Euro Gesamtvermögensübergang 123 Mio. Euro Erbschaftsteuer anfallen. Nach Abzug des einzusetzenden Privatvermögens wäre der verbleibende Finanzierungsbedarf 113 Mio. Euro. Aufgrund der restriktiven Ausschüttungspolitik an die Familie im Durchschnitt der letzten Jahre würde es 113 Jahre dauern, um die Erbschaftsteuer zu tilgen – und dies ohne Berücksichtigung der Zinsen für die zur Zahlung der Erbschaftsteuer aufzunehmenden Darlehen. Dies ist absurd! Sollte sich dieses Szenario verwirklichen, werden viele Familien ihre Unternehmen als letzte Konsequenz nach Generationen verkaufen müssen. Deutsche Konzernzentralen werden verschwinden, viele Arbeitsplätze mit ihnen.
Sollte unsere einmalige Unternehmerlandschaft in Deutschland durch die anstehende Reform der Erbschaftsteuer in Mitleidenschaft gezogen werden, wird es schwierig, wenn nicht unmöglich sein, diese Entwicklung wieder zurückzudrehen. Andere Länder, beispielsweise England oder Frankreich, zeigen dies bereits prägnant auf.
Familienunternehmer sind immer bereit, ihren fairen Anteil am Steueraufkommen – auch Erbschaftsteuer – zu bezahlen. Eine Erbschaftsteuer auf Unternehmensanteile, die über Generationen gebunden waren und gebunden bleiben sollen, auf Basis nicht realisierbarer hoher fiktiver Unternehmenswerte zu erheben, ist in niemandes Interesse. Befragen Sie einmal unseren Betriebsrat dazu!
Merck ist ein führendes Unternehmen für innovative und hochwertige Hightech-Produkte in den Bereichen Healthcare, Life Science und Performance Materials und erwirtschaftete im Jahr 2014 Gesamterlöse von rund 11,3 Mrd. EUR. Rund 50.000 Mitarbeiter arbeiten für Merck in 66 Ländern daran, die Lebensqualität von Patienten zu verbessern, den Erfolg seiner Kunden zu steigern und einen Beitrag zur Lösung globaler Herausforderungen zu leisten. Merck ist das älteste pharmazeutische-chemische Unternehmen der Welt – es besteht seit 1668. Die Gründerfamilie ist bis heute zu rund 70 Prozent Mehrheitseigentümerin. Der Sitz des Unternehmens ist in Darmstadt.