Die Automobilindustrie ist als Schlüsselbranche Deutschlands ein verlässlicher Seismograph für die Gesamtverfassung unserer Industrie. Seit dem zurückliegenden Jahr haben die kritischen Ausschläge auf der Konjunkturskala dramatisch zugenommen. Die Pkw Produktion brach 2019 um neun Prozent ein. Das ist der niedrigste Stand seit 1997. Sparprogramme, Gewinnwarnungen, Stellenabbau und sogar Werksschließungen gehören nach einer Dekade des Wachstums wieder zum Alltag.
Zur Erklärung dieser Erschütterungen werden meist die Weltkonjunktur, Handelskonflikte und massive Investitionen im Zuge der Mobilitätswende ins Feld geführt. Doch es gibt noch einen weiteren Grund, der in dieser Gemengelage zum Katalysator einschneidender Maßnahmen wird: Wir haben am Industriestandort Deutschland in den letzten Jahren teils dramatisch an internationaler Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt.
Zu den größten Schwachpunkten zählen – neben einem zu komplizierten und nicht mehr wettbewerbsfähigen Steuersystem mit zu hohen Abgaben – die zunehmende Knappheit an Fachkräften und die gleichzeitig überdurchschnittlich stark gestiegenen Lohnkosten. So hat sich die tarifliche Kostenbelastung in der Metall- und Elektroindustrie von 2011 bis 2019 um 28,8 Prozent erhöht, die gesamtwirtschaftliche Produktivität ist dagegen nur um 6,1 Prozent gestiegen. Die Inflationsrate stieg im selben Zeitraum um 10,6 Prozent.
Dennoch mache ich mich, bei aller notwendigen Globalisierung, von jeher auch für den Produktionsstandort Deutschland stark – und das nicht nur, weil ich mich als Familienunternehmer mit meiner Heimat und ihren Menschen eng verbunden fühle und ihnen gerne auskömmliche Arbeit biete, solange dies marktseitig möglich ist.
Ebenso gibt es handfeste volkswirtschaftliche und unternehmerische Argumente, die für eine Produktion in Deutschland sprechen. Denn Fakt ist, dass ein wesentlicher Teil des allgemeinen Wohlstands auf industriellen Leistungen beruht, die hierzulande erbracht werden. Eine starke Industrie erzeugt immer auch Prosperität in anderen Wirtschaftszweigen und generiert Arbeitsplätze etwa im Dienstleistungsbereich, bei Handel oder Verkehr. So ist es auch ein Gebot gesellschaftlicher Verantwortung, eine der wichtigsten Quellen unseres Wohlstands – die Industrie – nicht durch zu hohe Auflagen und überzogene Forderungen zu schwächen.
Leider ist in den letzten Jahren das Gegenteil geschehen. Der Lohn, insbesondere für einfache Tätigkeiten in Westdeutschland, wurde durch eine zu einseitige und meines Erachtens falsch verstandene Klientelpolitik der Gewerkschaften zu teuer gemacht. Während die ostdeutsche Industrie im Durchschnitt für 27,8 Euro produziert, kostet die Arbeitsstunde im Westen 42,9 Euro. Damit liegt sie um über fünfzig Prozent höher. Ganz zu schweigen vom Kostengefälle zwischen Deutschland und Ländern in Osteuropa, Afrika oder Asien, wo wir mittlerweile ebenfalls in vergleichbarer Qualität und Produktivität produzieren. Man wollte als Luxusgewerkschaft offensichtlich lieber den Mitgliedern dienen, als auch weniger qualifiziertere Kollegen mitnehmen und langfristig Beschäftigung sichern.
An der unkalkulierbaren Dynamik globaler Märkte können wir nichts ändern. Sehr wohl aber wäre es möglich, korrigierend auf unsere Rahmenbedingungen vor Ort einzuwirken und damit die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Transformation zu schaffen. Die anstehende Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie bietet dafür eine große Chance. Um dem Trend zur Deindustrialisierung wirksam etwas entgegenzusetzen, müssen jedoch beide Tarifparteien zurück auf Los und einen Dialog auf Augenhöhe und frei von Ideologien beginnen. Die sehr engen Verteilungsspielräume müssen dabei, soweit sie überhaupt vorhanden sind, vor allem für Investitionen genutzt werden, besonders in Weiterbildung und Qualifizierung, in Forschung und Entwicklung und in die Digitalisierung. Gefragt ist dafür ein echter Schulterschluss, der das Machtspiel zwischen den Tarifpartnern wohl zulässt, es aber nicht über die Sache stellt, um die es uns allen letztlich gehen sollte: um eine gute Zukunft für Beschäftigte und Unternehmen weit über den nächsten Tarifabschluss hinaus. Um nachhaltigen Wohlstand in unserem Land auch für folgende Generationen.
Seit der Gründung im Jahr 1925 hat sich das Familienunternehmen Marquardt nach eigenen Angaben zu einem der global führenden Mechatronik-Experten entwickelt. Die Produkte des Mechatronik-Spezialisten – darunter Bedienkomponenten, Fahrzeugzutritts-, Fahrberechtigungs- und Batteriemanagementsysteme für elektrobetriebene Fahrzeuge – kommen bei vielen namhaften Kunden der Automobilindustrie zum Einsatz. Ebenso sind Systeme von Marquardt in Hausgeräten, industriellen Anwendungen und Elektrowerkzeugen zu finden. Das Unternehmen zählt weltweit über 11.000 Mitarbeiter an 20 Standorten auf vier Kontinenten. Der Umsatz lag im Geschäftsjahr 2018 bei 1,3 Milliarden Euro.