10/01/2013
Dr. Heinrich Weiss

Rechts gewählt, links regiert

Was das Ergebnis der Bundestagswahl für den Familienunternehmer bedeutet

Es wird schwer werden, den grandiosen Wahlerfolg von Angela Merkel mit ihrer CDU in die von den Wahlbürgern gewünschte Politik umzusetzen. Knapp 10 Prozent der Wähler, nämlich die, welche die FDP oder die AfD gewählt haben, werden im neuen Parlament nicht repräsentiert sein. Und hier handelt es sich um eine Bevölkerungsschicht, die überproportional zum wirtschaftlichen Erfolg und zur Schaffung von Arbeitsplätzen beiträgt und einen großen Teil des Steueraufkommens leistet. Obwohl die Bürger mehrheitlich rechts gewählt haben, sitzt im künftigen Parlament eine linke Mehrheit. Die SPD wird für die Bildung einer großen Koalition erhebliche Konzessionen in Richtung ihres Wahlprogramms erwarten, was im Zusammenhang mit der in den vergangenen Jahren nach links gerückten CDU zu einem sozialdemokratischen Regierungsprogramm führen wird.

Die politische Diskussion wird sich auch zukünftig überwiegend mit der Frage der Verteilung der finanziellen Mittel befassen und natürlich damit, wo und wie der Bürger noch stärker zur Kasse gebeten werden kann. Die zahlreich vorhandenen Einsparpotentiale in allen Bereichen des staatlichen Haushalts werden wieder nicht genutzt werden. Initiativen, die Wirtschaft zu stärken, um das Steueraufkommen ohne Erhöhung der Steuersätze weiterhin zu gewährleisten oder noch zu vergrößern, wird es wie in den vergangenen Jahren kaum geben.

Die Diskussion über eine entscheidende Schicksalsfrage der Zukunft, nämlich der weiteren Politik hinsichtlich der Euro-Gemeinschaftswährung, wird wohl weiterhin von der Regierung unterdrückt werden. Der Erfolg der AfD zeigt aber, dass immer mehr Bürger die Vertuschung und Verleugnung der auf uns zukommenden Belastungen durch die Euro-„Rettung“ durchschauen. Wir können nur hoffen, dass die Politik diesen Weckruf versteht und der Öffentlichkeit klar wird, welche Zeitbombe hier tickt.

Neben der Euro-Problematik ist die größte Fehlentwicklung während der Kanzlerschaft von Angela Merkel wohl der Verlust der politischen Kultur in der CDU. Öffentliche Programmdiskussionen finden weder auf Parteitagen noch sichtbar in den Parteizirkeln statt. Die serienweisen Niederlagen der CDU bei den Landtagswahlen in den vergangenen Jahren werden nicht analysiert und aufgearbeitet. Die Umgebung von Frau Merkel besteht überwiegend aus Funktionären, die sich auch nur noch zu Gerechtigkeits- und Verteilungsfragen äußern oder zu anderen Randproblemen aus dem sozialen Bereich, wie der Homo-Ehe oder der Frauenquote.

Wann haben wir zum letzten Mal von dem Generalsekretär Gröhe oder dem Fraktionsvorsitzenden Kauder ein Wort zur Stärkung der sozialen Marktwirtschaft, zur notwendigen Freiheit des Unternehmertums oder zu dringenden Reformvorhaben, wie die Steuervereinfachung, gehört? Auch in der CDU scheint man davon auszugehen, dass die Wirtschaftsleistung garantiert ist. Das Rekordsteueraufkommen, welches nur durch die Erfolge der deutschen Wirtschaft in den letzten Jahren möglich ist, scheint hier zu Sorglosigkeit und zum Desinteresse zu führen.

Dieses mangelnde Interesse an der Wirtschaft führt auch zur gestörten Kommunikation zwischen der Regierung und den Wirtschaftsverbänden. Die Vertreter der Großindustrie verkehren direkt mit der Kanzlerin und den Ministern und tragen ihre Probleme dort vor. Dabei vermeiden sie sorgfältig jede kritische Äußerung, da fast alle Großkonzerne in irgendeiner Form vom Wohlwollen des Staates abhängig sind. Allerdings ist die politische Stimme des Mittelstands und der Familienunternehmen in den letzten Jahren erfreulich stark geworden und wird inzwischen auch zunehmend von der Politik gehört. Anders als vor zehn Jahren ist heute den Politikern bewusst, dass der überwiegende Anteil des Bruttosozialprodukts, die Mehrzahl der Arbeits- und vor allem auch der Ausbildungsplätze, von den selbständigen Familienunternehmen geschaffen wird.

Die künftige Regierung kann in der Wirtschafts- und Finanzpolitik nur erfolgreich sein, wenn sich der Wirtschaftsflügel in der CDU wieder mehr einbringt und eine innerparteiliche Diskussion über die Stärkung und Konkurrenzfähigkeit unserer Wirtschaft verlangt. Die Kommunikation mit der Parteivorsitzenden sollte zukünftig auch mit konstruktiver Kritik und nicht nur per Akklamation erfolgen. Hier sind manche der SPD-Politiker, z. B. aus dem Ruhrgebiet, realistischer als CDU-Mitglieder, wenn sie sich zu Problemen der Energiewirtschaft oder den Zukunftsbedingungen für die Industrie äußern.

Auch die Eurokrise muss offen diskutiert und die Einhaltung der ursprünglichen Maastricht-Kriterien und der „No-Bailout“-Klausel zur Vermeidung einer Transferunion nachdrücklich durchgesetzt werden. Auf Dauer nicht für die Gemeinschaftswährung qualifizierte Volkswirtschaften sollten die Eurozone verlassen, um nicht die europäische Wirtschaft als Ganzes weiter zu schädigen.

In anderen Teilen der Welt wird mit großem Eifer am wirtschaftlichen Fortschritt gearbeitet. Die zunehmenden Erfolge in Asien und wahrscheinlich bald auch wieder in den USA werden die Gefahr erhöhen, dass Europa wirtschaftlich in eine längere Phase der Stagnation gerät.

Auch wenn wir von der Konzentration auf die kurzfristigen Interessen und der mangelnden längerfristigen Führung durch die gegenwärtige Politik enttäuscht sind, sollten wir uns jetzt nicht zurückziehen, sondern als Unternehmer die Diskussion aktiv fordern und uns engagieren. Auch in den politischen Parteien wächst eine neue Generation heran, die die Gefahren aus der verschleppten Europroblematik erkennt, und mit der wir einen Neuaufbau unserer politischen Kultur zu mehr langfristigem Denken und zur Besinnung auf die Grundlagen unseres Wohlstands führen sollten.

Die SMS group zählt weltweit zu den führenden Unternehmen des Anlagen- und Maschinenbaus für die industrielle Verarbeitung von Stahl, Aluminium und Nicht-Eisen-Metallen. Die Unternehmensgeschichte beginnt 1871 mit dem Gründer Carl Eberhard Weiss und wird bis heute in vierter Generation durchgehend von der Familie Weiss verantwortlich geprägt. Die Unternehmensgruppe hat sich über 140 Jahre hinweg durch organisches Wachstum, durch strategische Übernahmen und die damit verbundene weltweite Erschließung neuer Märkte mit heute weltweit über 13 500 Mitarbeitern und einem Umsatz von über 3,3 Milliarden Euro zu ihrer heutigen Marktbedeutung entwickelt.