Landauf, landab ist seit einiger Zeit von ihr die Rede, und sogar der scheidende amerikanische Präsident Barack Obama widmete ihr anlässlich seines Besuchs der Hannover Messe höchste Aufmerksamkeit: die digitale Vernetzung der Wirtschaft.
Während lange davor gewarnt wurde, dass Deutschland sehenden Auges den Anschluss an seine Wettbewerber verliere, ist das Selbstbewusstsein mittlerweile spürbar gewachsen. Aufgrund seiner breiten industriellen Basis sieht mancher sogar einen leichten Vorsprung gegenüber Ländern wie Japan, China oder den USA.
Vielleicht wäre das schon Grund genug zum Optimismus. Denn historisch betrachtet tun wir uns bisweilen schwerer als andere damit, uns auf eigene Stärken zu besinnen. Wenn wir jedoch den einzigartigen Mix aus großen und mittelständischen Firmen betrachten und nicht nur auf Geschäftsmodellinnovationen aus dem Silicon Valley schielen, sind unsere Karten objektiv sehr gut.
Damit die Produktion der Zukunft eine Erfolgsgeschichte mit vielen Gewinnern wird, kommt es nicht nur darauf an, Kunden, Zulieferer und Werkseinheiten zunehmend zu vernetzen, um bis zu 30 Prozent effizienter zu produzieren. All das geschieht bereits. Es geht um den sprichwörtlichen Ruck, der durch die Gesellschaft gehen muss.
Dass wir auf diesem Weg vorangekommen sind, zeigt nicht nur das wachsende Interesse der Kunden an Plattformlösungen, wie auch wir sie entwickeln: Mit großer Offenheit im Vergleich zu anderen Technologiethemen gehen Politik und Gewerkschaften an das Thema heran. Diese Bewusstseinsbildung ist mindestens genauso wertvoll wie die Fortschritte bei Netzausbau, Standardisierung oder rechtlicher Harmonisierung – vielleicht sogar wertvoller.
Dass sich die Vernetzung der Produktion langfristig aber auch positiv auf den Beschäftigungssektor auswirken wird, scheint hingegen noch eine Verheißung ohne Beweis zu sein. In jedem Fall ist sie die Achillesverse für die Akzeptanz des Gesamtvorhabens.
Umso entscheidender sind in dieser Phase jene Erfahrungen, die wir in der Vergangenheit gesammelt haben, als wir ebenfalls mit technischen Disruptionen konfrontiert waren: Je automatisierter die Industrie wurde, desto höher wurde ihre Wettbewerbsfähigkeit. Durch Lean Management haben auch wir bei TRUMPF die Produktivität gesteigert und über zehn Jahre trotzdem mehr als eintausend zusätzliche Mitarbeiter in der Produktion eingestellt.
Unsere Botschaft muss darum auch heute lauten: Was der Modernisierung an der einen Stelle an Kapazitäten weichen mag, wird an anderer Stelle ausgeglichen oder sogar vergrößert.
Die Digitalisierung ist darüber hinaus eine Chance, über bestehende Arbeitsstrukturen nachzudenken, sie zu flexibilisieren und den Bedürfnissen einer sich wandelnden Gesellschaft anzupassen. Eine der einschneidenden Lehren der bisherigen Krisen ist ja gerade, dass wir nicht nur unsere Produkte, sondern auch Prozesse und Organisationen permanent einer Revision unterziehen müssen, um agil zu bleiben.
Dies berührt etwa die Art und Weise, wie wir Aus- und Weiterbildung denken. Die Arbeit der Zukunft wird ganz sicher von einer anderen Methodik begleitet werden. An die Stelle der „Didaktik 1.0“ wird ein arbeitsintegrativer Prozess treten, um „just in time“ zu handeln. Dasselbe gilt für Entscheidungsprozesse des Managements.
Ich sehe darin nicht weniger als einen Modernisierungsschub, und er sagt mehr über die Bereitschaft aus, alte Zöpfe abzuschneiden, als etwa das Ablegen von Krawatten. Ein Tweet ebenso wie ein Kundenwunsch kann urlaubsbedingt nicht über Tage in einer internen Abstimmungs- und Bearbeitungsschleife hängen, bevor er freigegeben wird. Wir brauchen Schnelligkeit und die Fähigkeit zum Dialog nach innen wie außen. Und damit automatisch mehr Zutrauen in die Entscheidungskompetenz unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Je starrer und hierarchischer eine Organisation ist, umso weniger wird sie diese Nagelprobe bestehen.
Zu guter Letzt kommt es gerade bei einem abstrakten Thema wie Industrie 4.0 darauf an, kundennah zu agieren, Orientierung zu bieten, Vertrauen zu stiften. Nicht nur TRUMPF muss zeigen, wohin die Reise geht. Das erwarten die Kunden von uns und anderen.
Dafür ist es am Ende vielleicht notwendig, mit einer lieb gewonnenen Ingenieurstugend zu brechen und nicht mehr über die beste aller möglichen Welten zu sinnieren, sondern auf Basis des Vorhandenen nun den konkreten Nutzen in den Vordergrund zu stellen. „Es ist nicht gesagt, dass es besser wird, wenn es anders wird“, wusste schließlich schon der Aufklärer Georg Christoph Lichtenberg vor 250 Jahren. „Wenn es aber besser werden soll, wird es sich ändern müssen.“
Und zwar jetzt.
TRUMPF wurde 1923 als mechanische Werkstätte gegründet und hat sich zu einem der weltweit führenden Unternehmen für Werkzeugmaschinen, Laser sowie Elektronik für industrielle Anwendungen entwickelt. Im Geschäftsjahr 2014/2015 erzielte das Familienunternehmen, dessen Hauptsitz in Ditzingen bei Stuttgart ist, mit knapp 11.000 Mitarbeitern weltweit einen Umsatz von 2,7 Milliarden Euro.