Alle vier Jahre wird in Deutschland über Gerechtigkeit debattiert. Im Wahlkampf meint der eine Teil des politischen Lagers zu entdecken, dass es furchtbar ungerecht zugehe in unserem Land. Und ein bisschen ist es wie beim Fußball: Jeder kann mitreden, jeder hat eine Meinung – und jeder kann am Ende Recht behalten. Denn für Gerechtigkeit gibt es keine objektiven Maßstäbe. Wer wie viel verdienen „darf“, wem wie viel „zusteht“ – darüber gibt es unendlich viele Ansichten. Jede so richtig oder so falsch wie die andere.
Stoff genug für Talkshows und Wahlkampf-Veranstaltungen, so könnte man meinen. Und die Debatte damit auf sich beruhen lassen. Ich mag mich jedenfalls nicht daran beteiligen. Nur ein kurzer Satz: Wenn wir unsere bundesrepublikanische Wirklichkeit mit der in vielen Nachbarländern vergleichen – Beschäftigtenzahlen, Löhne, den Grad an Ungleichheiten in unserer Gesellschaft oder auch die „Durchlässigkeit“ unseres Systems und die damit verbundenen Aufstiegschancen, dann relativiert sich doch manches...
Nun könnte man es bei diesen Feststellungen eigentlich bewenden lassen – und sich über das Niveau der Debatte amüsiert zurücklehnen. Damit ist es aber nicht getan. Denn die Art und Weise, wie die Debatte geführt wird, beschädigt unsere Zukunftsfähigkeit.
Dazu drei Bemerkungen.
Erstens macht es mir große Sorgen, wenn die Diskussion nur noch über das Verteilen geführt wird, aber es nicht mehr um das Erwirtschaften geht. Es scheint ja einen regelrechten Überbietungswettbewerb im linken Lager zu geben, wer sich das ertragreichere Steuersystem ausdenkt. Wohler wäre mir, wenn weniger über Steuerpolitik und mehr über Wirtschaftspolitik geredet würde. Am Rande bemerkt: Die allseitigen Beteuerungen, dass die Betriebsvermögen „geschont“ werden sollen, zeugen erstens von Naivität und sind zweitens wenig glaubhaft.
Das eigentlich Skandalöse an der Debatte ist jedoch, dass die Umverteiler sich mit dem wirtschaftlichen Status quo zufrieden geben. So als ob unser heutiger Wohlstand auf alle Ewigkeiten gesichert sei und wir keine anderen Probleme hätten, als munter ans Geldverteilen zu schreiten.
Das Gegenteil ist der Fall! Auch wir erfolgsverwöhnten Familienunternehmen beobachten vielerorts, dass der Wind rauer geworden ist. In den Schwellenländern erwächst uns eine Konkurrenz, mit deren Dynamik wir erst einmal zurechtkommen müssen. Noch sind gerade wir deutschen Hightech-Unternehmen Weltmarktführer. Aber wir müssen investieren, wenn wir mithalten wollen. Und jeder Euro, den Unternehmen in Forschung und Entwicklung investieren, schafft mehr Nutzen, als ihm den Fiskus für so „erfolgreiche“ Projekte wie den Hauptstadtflughafen anzuvertrauen.
Damit bin ich bei meiner zweiten Bemerkung. Wenn wir über Gerechtigkeit reden, dann doch bitte auch über die Frage, wie wir uns gerecht gegenüber der nächsten Generation verhalten. Tun wir heute genug dafür, damit in unserem Land auch in 15, 20 Jahren noch Wohlstand erwirtschaftet werden kann? Schaffen wir heute die Grundlagen dafür, unsere Unternehmen für die Zukunft weltweit wettbewerbsfähig zu halten? Wie sorgen wir dafür, dass unsere jungen Menschen bestmöglichst ausgebildet werden? An all diesen Fragen geht die derzeitige Umverteilungsdebatte in weiten Teilen vorbei.
Und schließlich eine dritte Bemerkung. Ich vermisse bei einigen Akteuren im politischen Lager den Respekt vor unserer Arbeit als Unternehmer. „Die“ Wirtschaft wird anscheinend nur noch als der Esel gesehen, dem man immer wieder neue Lasten aufbürden kann. Das gilt für Steuern, das gilt aber auch für immer neue regulatorische Auflagen und dergleichen mehr. Dass gerade wir Familienunternehmen Wohlstand erwirtschaften und Arbeitsplätze schaffen, wird immer mehr zum Thema für politische Sonntagsreden, aber nicht für das konkrete wirtschaftspolitische Handeln. Selbst die Grünen leisten sich ja wirtschaftsfreundliche Briefe und Interviews eines Ministerpräsidenten – der aber offenkundig in seiner Partei nichts zu sagen hat...
Vielleicht waren wir Unternehmen in der Vergangenheit schlichtweg zu gut. Viele deutsche Unternehmen und gerade wir Mittelständler haben die Krise einigermaßen ordentlich gemeistert. Wir haben in schwierigsten Zeiten Arbeitsplätze erhalten – mit Hilfe kluger politischer Entscheidungen wie der Verlängerung der Kurzarbeit; aber in vielen Familienunternehmen vor allem deshalb, weil wir dafür privates Geld aufgewendet haben.
Vielleicht hat all dies bei der Politik zu einer Fehleinschätzung geführt: Zu der nämlich, dass wir Unternehmen jegliche neue Belastung schon irgendwie schultern werden. Nun gut, das wäre auch eine Art von Respekt – der uns allerdings herzlich wenig bringt.
Wirtschaftspolitische Klugheit sieht jedenfalls anders aus. Gerechtigkeit übrigens auch.
TRUMPF GmbH + Co. KG
TRUMPF wurde 1923 als mechanische Werkstätte gegründet und hat sich zu einem der weltweit führenden Unternehmen der Fertigungs- und Medizintechnik entwickelt. Im Geschäftsjahr 2011/12 erzielte das Unternehmen, dessen Hauptsitz in Ditzingen bei Stuttgart ist, mit rund 9.500 Mitarbeitern weltweit einen Umsatz von 2,3 Milliarden Euro.