Aktuell steht Deutschland glänzend da. Die gute Konjunktur auf der Basis einer starken Exportwirtschaft und die erfreuliche Lage am Arbeitsmarkt bescheren den öffentlichen Kassen Rekordsteuereinnahmen und einen hohen Haushaltsüberschuss. Das spricht für einen wettbewerbsfähigen Standort.
Und ja, Deutschland ist ein attraktiver Standort – die größte Volkswirtschaft Europas mit hoher Kaufkraft, eingebunden in die globale Wirtschaft. Deutsche Unternehmen haben 2015 so viel exportiert wie nie zuvor. Wesentliche Grundlage der Wettbewerbsfähigkeit sind ein stabiler Ordnungsrahmen, ein auf einer starken und eng vernetzten Industrie beruhendes Wirtschaftsmodell, hochqualifizierte Mitarbeiter v.a. im technischen Bereich sowie die über Jahrzehnte gewachsene Verflechtung von großen, mittelständischen und kleinen Produzenten, Zulieferern und Dienstleistern.
Jedoch resultiert die jüngste Entwicklung eben nicht aus der Stärke des Standorts. Sie basiert vielmehr auf einem Umfeld, das günstiger kaum sein könnte. Die deutsche Wirtschaft profitiert bislang maßgeblich von Rahmenbedingungen, die nicht von Dauer sein werden: billiges Öl, ein für die Exportwirtschaft günstiger Euro und historisch niedrige Zinsen. Vor diesem Hintergrund glänzt die Entwicklung der deutschen Wirtschaft nur noch matt.
Die Bundesregierung hat bislang nur wenig zur Stärkung des Standorts beigetragen. Im Gegenteil: Frühverrentung und Mindestlohn belasten schon jetzt, strenger regulierte Zeit- und Leiharbeit werden die Wettbewerbsfähigkeit weiter verringern. Zudem hat seit Jahresbeginn der Wert des Euro gegenüber dem US-Dollar deutlich zugelegt, ein raueres Weltwirtschaftsklima zeichnet sich ab. Und schon bald wird die demografische Entwicklung als Wachstumsbremse wirken, denn die Bevölkerung wird schrumpfen, und ein immer geringerer Anteil wird erwerbstätig sein. Die volle Wucht dieser negativen Faktoren wird uns erst im nächsten Abschwung treffen.
Wenn wir also nicht schnell damit beginnen, den Standort im Kern zu stärken, bleibt die deutsche Wirtschaft auf Dauer unter ihren Möglichkeiten. Was ist zu tun?
Die Politik muss Perspektiven für langfristiges Wachstum eröffnen und die Angebotsbedingungen für Unternehmen verbessern. Das fördert private Investitionen und stärkt die Wettbewerbsfähigkeit. Sie muss aber auch, und das wird immer dringender, selbst investieren.
Die Verkehrsinfrastruktur muss erhalten und die Kapazitäten, auch durch den Einsatz moderner Technologien wie Verkehrsleitsysteme, erweitert werden. Seit vielen Jahren wird diese traditionelle Stärke unterminiert. Dabei ist die Verkehrsinfrastruktur für die Leistungsfähigkeit einer eng vernetzten Wirtschaft von überragender Bedeutung. Forciert werden muss auch der flächendeckende Ausbau von Breitbandnetzen als Voraussetzung für die vernetzte Wirtschaft (Industrie 4.0) und für digitale Dienstleistungen. Um die Infrastrukturprojekte zügig umzusetzen, sollten private institutionelle Investoren eingebunden werden.
Die im Grundsatz vernünftige Energiewende hat im internationalen Vergleich zu sehr hohen Stromkosten geführt. Diese werden immer mehr zu einem strukturellen Standortrisiko, das einzelne Industriesegmente derart schwächen kann, dass integrierte Wertschöpfungsketten zu reißen drohen. Wir benötigen Planungssicherheit über den Fortgang der Energiewende und niedrigere Stromkosten, indem v.a. die Fehlsteuerungen der vergangenen Jahre beseitigt werden.
Der Fachkräftemangel muss verringert werden, indem die Potenziale bei Frauen, älteren Menschen und Ungelernten stärker genutzt werden. Die abschlagsfreie Rente mit 63 ist wieder zurückzunehmen. Da das aber mittelfristig bei weitem nicht ausreicht, ist die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte zu forcieren; ein echtes Immigrationsgesetz ist vonnöten, erfolgreiche Beispiele gibt es genug.
Zeitarbeit und Befristungen dürfen nicht stärker reguliert werden. Unternehmen benötigen die Flexibilität, um auf schwankende Auftragssituationen schnell reagieren zu können. Die Tarifparteien fordere ich auf, maßvolle Tarifabschlüsse zu vereinbaren, denn Arbeitskosten sind nach wie vor ein bedeutender Standortfaktor.
Um bessere Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung (FuE) zu schaffen, ist auch die Einführung einer steuerlichen FuE-Förderung zu erwägen – mit dem Ziel, die anschließende Wertschöpfung in Deutschland zu behalten. Für junge Unternehmen, die einen wichtigen Beitrag zur Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit einer Wirtschaft leisten, sollten bürokratische Hürden gesenkt und der Zugang zu Beteiligungskapital vereinfacht werden.
Schließlich muss die anstehende Reform der Erbschaftsteuer so gestaltet sein, dass das Rückgrat der deutschen Unternehmenslandschaft, die Familienunternehmen, bestehen bleibt. Bei keinem anderen Thema ist die Entfremdung zwischen Politik und Wirtschaft derart offensichtlich.
Verständlicherweise liegt der Fokus der Bundesregierung momentan auf der Bewältigung der Flüchtlingskrise. Aber das wirtschaftliche Umfeld wird rauer. Es wird Zeit, den Standort Deutschland mit Investitionen und investitionsfördernden Reformen nachhaltig zu stärken. Sonst ist es womöglich für ein maßvolles Gegensteuern zu spät.
Dr. Nikolas Stihl ist Enkel des Firmengründers Andreas Stihl, der das Unternehmen 1926 gegründet hat. Zunächst wurden Dampfkessel-Vorfeueranlagen und Waschmaschinen hergestellt. Hierdurch verdiente das Unternehmen Geld für den Bau der ersten Ablängkettensäge mit Elektromotor. Seit 1971 ist STIHL die meistverkaufte Motorsägenmarke weltweit. Das Unternehmen hat seinen Stammsitz in Waiblingen bei Stuttgart. 36 eigene Vertriebs- und Marketinggesellschaften, rund 120 Importeure und mehr als 40.000 Fachhändler in über 160 Ländern vertreiben die Produkte. STIHL erzielte 2014 mit 14.297 Mitarbeitern weltweit einen Umsatz von 2,98 Mrd. Euro.