Die Steuergestaltungen einiger multinationaler Konzerne wie Apple, Amazon und Google haben – zurückhaltend ausgedrückt – für großen Unmut in Politik und Öffentlichkeit gesorgt. Zu Recht. Es kann nicht angehen, dass einige international agierende Konzerne sich mittels aggressiver Gestaltung findig Steuerzahlungen entziehen, während die Masse der Unternehmen und Bürger standorttreu und brav ihrer Steuerpflicht nachkommt. Dass auf nationaler und vor allem auch internationaler Ebene nach Möglichkeiten gesucht wird, diese für alle schädlichen Gewinnverlagerungen zu verhindern, auf denen die Gestaltung basiert, ist deshalb nur recht und billig.
Vor allem mit mehr Transparenz will man diese Art der Steuerumgehung beseitigen. Die OECD/G-20-Staaten haben sich deshalb darauf verständigt, steuerlich relevante Informationen im Rahmen eines sogenannten Country-by-Country-Reportings (CbCR) von den Unternehmen einzufordern und untereinander auszutauschen. Konkret soll mit Hilfe des CbCR festgestellt werden können, ob die internationale Aufteilung der Konzernsteuerlast die Verteilung von Wertschöpfungsbeiträgen und -funktionen wiedergibt oder ob Verrechnungspreisgestaltungen dazu genutzt werden, Gewinne in Niedrigsteuerstaaten zu verlagern.
Das klingt aber nicht nur kompliziert, das ist es auch. Um einigen wenigen Übeltätern beizukommen, sind neue superbürokratische Vorschriften geschaffen worden, die ausnahmslos alle international agierenden Unternehmen unter Generalverdacht stellen, Gewinne in Niedrigsteuerländer zu verlagern. Die Folge: Wirtschaftlich sinnvolle und notwendige Transaktionen werden von den Unternehmen nicht mehr durchgeführt, da die steuerlichen Implikationen nur mit erheblichem Aufwand absehbar sind. Denn allein eine bestimmte Standortwahl könnte ein Unternehmen in den Fokus von Finanzverwaltungen rücken. Zudem: Ob das eigentliche Ziel von mehr Steuergerechtigkeit auf diese Weise erreicht werden kann, ist mehr als zweifelhaft. Vielmehr besteht die Gefahr, dass der zunächst verständliche Wunsch nach mehr Transparenz bei den Steuerbehörden neue Begehrlichkeiten weckt. Im Klartext: Staaten, die glauben, sie kämen im Vergleich zu anderen bei den Steuereinnahmen zu kurz, könnten nun überzogene Forderungen stellen.
Dabei sind die Empfehlungen der OECD/G-20-Staaten noch recht harmlos im Vergleich zu dem, was die Europäische Union in dieser Sache verfolgt. Wie die OECD will auch die EU die Unternehmen dazu verpflichten, über ihre geschäftlichen Aktivitäten nach Ländern geordnete Berichte zu erstellen. Im Gegensatz zur OECD sollen nach dem Willen der EU diese Berichte aber nicht nur dem Informationsaustausch zwischen den Finanzverwaltungen der einzelnen Länder dienen. Sie sollen sogar in Unternehmensregistern und auf der Unternehmenswebsite veröffentlicht werden. Die EU-Initiative widerspricht damit völlig dem, was die OECD/G-20-Staaten sozusagen vorformuliert hatten, nämlich, dass diese sensiblen Unternehmensdaten in jedem Fall unter Verschluss gehalten werden sollten und ein Verstoß dagegen sanktioniert werden müsste.
Dass die EU die Unternehmen zwingen will, Interna im Internet und damit für Mitbewerber frei zugänglich zu veröffentlichen, ist an sich schon ungeheuerlich. Noch schlimmer ist die Motivation, die dahintersteckt: Die Veröffentlichung interner Unternehmensdaten ist faktisch eine Aufforderung an eine breite Öffentlichkeit, nach gemutmaßten Ungereimtheiten in den Unternehmensberichten zu suchen. Noch deutlicher als hier lässt sich der Generalverdacht, dass alle multinational agierenden Unternehmen etwas zu verbergen haben, wohl nicht artikulieren.
Es wird den Unternehmen nicht immer gelingen, mangelhaft begründete Vorwürfe und Fehlinterpretationen auszuräumen, die dann von meist unberufener Seite nach Lektüre der Internetberichte in die Welt gesetzt werden. Der daraus entstehende Schaden für die Unternehmensreputation und das Unternehmensimage wäre immens. Zwar soll es Unternehmen ermöglicht werden, zumindest teilweise auf die Veröffentlichung zu verzichten, wenn diese eine schwerwiegende Beeinträchtigung für das Unternehmen darstellen würde. Der Verdacht, dass die Unternehmen per se etwas zu verheimlichen haben, würde damit noch erhärtet.
Statt den schwarzen Schafen der Steuererosion Einhalt zu gebieten, überzieht die OECD ausnahmslos alle international agierenden Unternehmen mit zusätzlicher Bürokratie. Und die EU schießt dabei noch einmal deutlich übers Ziel hinaus, stellt sie doch alle Unternehmen unter Generalverdacht und öffentlich an den Pranger. Auf der Strecke bleiben der freie Handel, eine effiziente internationale Arbeitsteilung – und letztlich Wachstum und Wohlstand für alle!
Die geplanten Regelungen auf EU-Ebene sind somit einzudämmen: Zurverfügungstellung von Daten zur Bekämpfung von Steuerverschiebungen – ja, aber nicht an die interessierte Öffentlichkeit, sondern nur für die Steuerverwaltungen und unter der Prämisse der Wahrung des Steuergeheimnisses und damit der Verschwiegenheit. Es muss zudem sichergestellt sein, dass es um eine faire Aufteilung einer bestehenden Steuerbemessungsgrundlage geht und nicht um eine allseitige Steuererhöhung der beteiligten Fisci zu Lasten des Steuerpflichtigen. Datenaustausch darf es nur geben, wenn der Steuerkuchen gleich groß bleibt und lediglich die Aufteilung der Kuchenstücke geändert wird.
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