08/01/2014
Friedrich P. Kötter

Ein Mindestlohn nach dem 'Gießkannenprinzip' kostet Arbeitsplätze

Bundestag und Bundesrat haben Anfang Juli mit breiter Zustimmung die Grundlagen zur Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns auf den Weg gebracht. Dieser wird zum 1. Januar 2015 in Kraft treten und eine Höhe von 8,50 Euro haben. Für bestimmte Branchen gelten zunächst noch Ausnahmeregelungen, die aber spätestens 2017 entfallen sollen.

Anders als häufig behauptet, werden Mindestlöhne auch von Arbeitgeberseite nicht pauschal abgelehnt. Vielmehr unterstützen zahlreiche Unternehmer diese Zielsetzung. Hierzu zählt ausdrücklich auch die KÖTTER Unternehmensgruppe. Allerdings − und hier liegt der entscheidende Unterschied zur jetzt von der großen Koalition verabschiedeten Gesetzgebung: Der Mindestlohn sollte immer Einstiegslohn für einfachste Tätigkeiten und dementsprechend marktkonform sein. Dies bedeutet: Es darf nicht nach dem „Gießkannenprinzip“ ein Mindestlohn von 8,50 Euro über ganz Deutschland „ausgeschüttet“ werden. Vielmehr sind in einem Mindestlohn-Korridor Staffelungen zu verankern, welche den unterschiedlichen wirtschaftlichen Bedingungen unseres föderalistischen Systems gerecht werden. Denn auch bei den ökonomischen Gegebenheiten gilt: Baden-Württemberg ist nicht Schleswig-Holstein, Bayern nicht Mecklenburg-Vorpommern! Die Hoheit für die Festlegung sollte dabei, dies sei bereits an dieser Stelle angemerkt, bei den Tarifpartnern liegen. Ein solches System hatten etwa der Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW) und die Gewerkschaft ver.di in der Vergangenheit bundesweit für das Wach- und Sicherheitsgewerbe vereinbart. Mit Mindestlöhnen, die bereits 2013 von 7,50 Euro in Ostdeutschland bis zu 8,90 Euro in Baden-Württemberg reichten.

KONSEQUENZEN DER NEUREGELUNG

Bei allem Verständnis für notwendige Lohnanhebungen in bestimmten Branchen und Regionen: Mit einem flächendeckenden Einstiegsstundenlohn von 8,50 Euro ab 2015, der natürlich schon jetzt massive Auswirkungen auf die aktuellen Tarif- und Mindestlöhne hat, werden tatsächliche Wirtschaftsbedingungen weitgehend ausgeblendet. So beispielsweise in der Sicherheitsbranche mit einem Netto-Lohnkostenanteil von 80 bis 90 Prozent. Und so lassen − nachdem der überwiegende Teil der Auftraggeber die angeführten 7,50 Euro Stundenlohn im Sicherheitsgewerbe akzeptiert hatte – zusätzliche Preiserhöhungen viele Auftraggeber zweifeln und nach Alternativen wie z. B. dem Einsatz von mehr Sicherheitstechnik suchen.

Die Folge: Wenn Lohnentwicklungen, die zu Preissteigerungen von teils mehr als 35 Prozent führen, in dieser Form weitergehen, werden Arbeitsplatzverluste gerade in Ostdeutschland nicht zu vermeiden sein. Denn dort sind die Anhebungen am massivsten. Mit entsprechenden Negativ-Auswirkungen für die Lebensumstände aber auch die Motivation der Betroffenen, die gerne arbeiten möchten. Stichwort Motivation: Mindestlöhne sollten zudem nicht nur für sich selbst marktgerecht sein. Die angemessene Höhe gewährleistet gleichzeitig, dass auch der Abstand zu den sonstigen Tariflöhnen angemessen bleibt und nicht zu Verwerfungen im Tarifgefüge führt.

Zuletzt finden auch die Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertage, die z. B. im Sicherheitsgewerbe einen Netto-Lohnanteil von bis zu 20 Prozent ausmachen, keine Beachtung. Selbst der Zoll prüft ihre Einhaltung nicht, da der Staat angesichts der Steuerfreiheit hierüber keine Mehrergebnisse erzielen kann.

DIE GEFAHR VON UMGEHUNGSTATBESTÄNDEN

Gleichzeitig wurde das Gesetz an verschiedenen Stellen aufgeweicht und damit dem Druck von Partikularinteressen nachgegeben. So gibt es Ausnahmen für die Landwirtschaft, das Verlagswesen und den Einsatz von Praktikanten. Jede einzelne Branche mag hierfür Gründe anführen, die an dieser Stelle nicht bewertet werden sollen. Vielmehr sei auf die damit verbundenen Gefahren hingewiesen: Immer wenn es Ausnahmen gibt, öffnet dies das Tor für Umgehungstatbestände. Als größtes Risiko der neuen Mindestlohn-Gesetzgebung lauert die Forcierung der „Scheinselbständigkeit“, wie sie z. B. seit den 1990er Jahren in Osteuropa schlimmste Blüten getrieben hat. Für den Markt bringt sie eine weitere Verzerrung der Wettbewerbsbedingungen, während die angeführte Gruppe − so wie alle Selbstständigen − überhaupt nicht vom Mindestlohn profitiert.

DER STELLENWERT DER TARIFAUTONOMIE

Lassen Sie mich last, but not least, noch auf die grundsätzlichen Auswirkungen für die Tarifautonomie eingehen. Ist die neue Mindestlohn-Regelung doch Teil eines Pakets mit dem vielversprechenden Namen „Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie“. Doch hiervon ist wenig zu spüren, ganz im Gegenteil. Denn wie bereits dargelegt, haben Bundestag und Bundesrat eine Lohnhöhe verabschiedet, die in vielen Branchen und Regionen über einem gesunden Marktniveau liegt. Gleichzeitig hat die Politik bereits durchblicken lassen, dass sie sich nach und nach aus diesem Themenfeld zurückziehen und somit die Verantwortung für den Mindestlohn sowie die daraus resultierenden Folgen an die Tarifparteien abgeben wird. Letztere dürfen dann „ausbaden“, was die Politik nicht ausreichend bedacht oder aus Eigeninteresse zu vollmundig versprochen hat. Beispiel hierfür ist das bereits heute propagierte Vorziehen der Mindestlohn-Erhöhung von 2017 auf 2016.

FAZIT

In der Summe sind somit bereits jetzt erhebliche Negativ-Wirkungen des beschlossenen flächendeckenden Mindestlohns unausweichlich.

Im Fokus steht der Arbeitskostenanstieg – mit den daraus resultierenden erheblichen Nachteilen für den Standort Deutschland und die hiesigen Arbeitsplätze. Die Steigerung ergibt sich dabei zum einen aus den 8,50 Euro selbst, die für viele Branchen und Regionen schlicht und einfach zu hoch angesetzt sind. In gleichem Maße müssen zum anderen aber auch die Auswirkungen auf das Tarifgefüge insgesamt betrachtet werden. Lohnsteigerungen sind auch in den anderen Tarifgruppen unumgänglich, um einen angemessenen Abstand zwischen Einstiegslohn für einfachste Tätigkeiten und regulären Tariflöhnen für höher qualifizierte Aufgaben weiter zu gewährleisten. Und damit letztlich auch dem Leitgedanken „Leistung muss sich lohnen“ weiter gerecht zu werden.

Wie aber hätte das Ganze in bessere Bahnen gelenkt werden können?

Mindestlöhne sind auch aus Unternehmenssicht mit klaren Vorteilen verbunden, soweit bei ihrer Gestaltung die Marktgegebenheiten angemessen berücksichtigt werden.

Um dies zu gewährleisten, sollten in guter Tradition die − branchenspezifischen − Mindestlöhne von den jeweiligen Tarifpartnern festgelegt werden. Politisch zu flankieren sind diese Regelungen durch eine Allgemeinverbindlichkeits-Erklärung der jeweiligen Mantel- und Lohntarifverträge. Vorteile: So werden die Tarifgemeinschaften gestärkt und gleichzeitig faire Wettbewerbsbedingungen geschaffen, da auch verbandsunabhängige Unternehmen sich an diese Regelungen halten müssen. Die Allgemeinverbindlichkeit muss dabei, anders als heute, auch die Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit umfassen. Erst so gibt es wirkliche Chancengleichheit zwischen den Anbietern und wird der Wettbewerb schlussendlich nicht auf dem Rücken der Mitarbeiter ausgetragen.

KÖTTER Services

Seit der Gründung im Jahre 1934 als „Westdeutscher Wach- und Schutzdienst Fritz Kötter“ (WWSD) durch den Kaufmann Fritz Kötter ist KÖTTER Services ein konzernunabhängiges Familienunternehmen. Die Geschäftsfelder erstrecken sich heute von personeller Sicherheit und Sicherheitstechnik über Reinigungs- und Personaldienstleistungen bis hin zum Gebäudemanagement. Der Systemdienstleister ist mit mehr als 90 Niederlassungen an über 50 Standorten in Deutschland vertreten und erwirtschaftete im Jahr 2013 mit seinen bundesweit 15.500 Mitarbeitern einen Gruppenumsatz von 383 Millionen Euro.

Der Dipl.-Kfm. Friedrich P. Kötter führt die Unternehmensgruppe – gemeinsam mit seiner Schwester Martina – in dritter Generation und ist darüber hinaus in zahlreichen nationalen und internationalen Verbänden in führender Position aktiv, darunter als Vorstand im Weltsicherheitsverband.