12/09/2021
Raoul Roßmann

Sind unsere Städte noch zu retten?

Am Freitagvormittag, dem 20.8.21, kontaktierte uns das Bundesverteidigungsministerium mit der Bitte um Soforthilfe für die seit Tagen ausharrenden Menschen am Kabuler Flughafen. Wenige Stunden später flogen die ersten 35 Paletten Kindernahrung von Hannover nach Taschkent und von da aus weiter nach Kabul.

Ich schildere Ihnen die kleine Episode, weil es neben dem harten und notwendigen Wettbewerb innerhalb einer funktionierenden Marktwirtschaft die andere, soziale Seite unserer Wirtschaftsordnung zeigt, in der Unternehmen vor Ort unterstützen, wenn Staat und Zivilgesellschaft auf Hilfe angewiesen sind. Aber wachsende Monopole bedrohen unsere wirtschaftliche Souveränität und die für eine demokratische Gesellschaft wichtigen lebendigen Innenstädte.

Rossmann ist trotz der Krise der Innenstädte erfolgreich. Auch deshalb, weil unsere Abhängigkeit von 1-a-Lagen in den letzten Jahren stetig abgenommen hat. Mein Appell zum Schutz der Innenstädte ist daher weniger durch unser Eigeninteresse geleitet als vermutet.

Die Sorge um unsere Innenstädte ist allgegenwärtig. Verliert der Handel, leiden auch die anderen beiden Grundpfeiler einer lebendigen Innenstadt: Kultur und Gastronomie. Einen bitteren Vorgeschmack darauf erfährt ein jeder, wenn er durch viele ostdeutsche Städte reist und die damit einhergehenden Folgen auf die Zufriedenheit der Bürger vor Ort beobachtet. Das Bild der Menschen von der Lage einer Gesellschaft definiert sich in erster Linie über Eindrücke aus ihrer unmittelbaren Umgebung. Zugespitzt formuliert: leere Innenstadt – frustrierte Bürger.

Die Idee, dem Präsenzhandel durch eine Paketsteuer zu helfen, ist diskutabel, aber die bisherigen politischen Antworten reichen nicht aus. Eine globale Mindestbesteuerung von Handelsgiganten wie Amazon schafft nicht, wie erhofft, mehr Wettbewerb, sondern hilft „nur“ den Staatsfinanzen. Amazon hat in seiner Firmengeschichte größtenteils ohne Gewinn gearbeitet. Ein Unternehmen, das, ohne Gewinn zu machen, eine marktbeherrschende Stellung erlangte, wird sich durch eine Steuer auf Gewinne nicht bremsen lassen.

Das Einzige, was hilft, ist der Umbau der Innenstädte in lebenswerte Wohnquartiere, in denen Menschen gerne leben und arbeiten, aber dieser Umbau wird Jahre, wenn nicht Jahrzehnte in Anspruch nehmen.

Was soll eine Paketsteuer bezwecken? Sie darf keine Händler treffen, die sowohl online als auch stationär verkaufen. Ein Apotheker, der neben seiner Apotheke auch eine Onlineapotheke betreibt, bliebe genauso unberührt von einer Paketsteuer wie ein stationärer Buchhändler, der seine Bücher über Amazon verkauft. Eine Staffelung der Steuer nach Umsatzgröße des Onlinehändlers wäre zweckmäßig, damit kleinere Onlinehändler und Onlinehändler mit Präsenzhandel einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den wenigen großen reinen Onlineplayern erhalten würden. Die Vorteile einer Paketsteuer blieben somit nicht auf den Präsenzhandel beschränkt, sondern würden auch kleinen Händlern im Internet mehr Chancen einräumen, um letztlich eine vielfältige, digitale Handelslandschaft analog dem Präsenzhandel zu bewahren. Weder wäre die Versorgungssicherheit auf dem Land dadurch gefährdet, noch müsste der Verbraucher im Onlinehandel pauschal höhere Preise zahlen.

Handel ist Wandel, aber Voraussetzung für Letzteres ist immer, dass wir uns Ersteres bewahren.

Dirk Roßmann eröffnete 1972 den ersten Drogeriemarkt mit Selbstbedienung in Deutschland. Heute gehört die Dirk Rossmann GmbH mit 56.300 Mitarbeitern und 4.244 Filialen zu den größten Drogeriemarktketten in Europa. Im Jahr 2020 erzielte die Rossmann-Gruppe in Deutschland, Polen, Ungarn, Tschechien, Albanien, Kosovo, Spanien und der Türkei einen Umsatz von 10,35 Milliarden Euro. Bis heute ist die Dirk Rossmann GmbH ein inhabergeführtes, international agierendes Familienunternehmen und befindet sich mehrheitlich im Besitz der Familie Roßmann. Daneben ist die weltweit tätige A.S. Watson-Gruppe mit 40 Prozent am Unternehmen beteiligt. Sohn Raoul Roßmann trat 2015 in die Geschäftsführung ein. Seit 1. Oktober 2021 ist er Sprecher der Geschäftsführung.