07/01/2017
Ulrich Dietz

Internationale Unternehmen müssen flexibel agieren, um beständig zu bleiben

Wann immer in unserer westlichen Welt derzeit gewählt wird, halten wir gespannt den Atem an. Spätestens seit der Entscheidung Großbritanniens für den Brexit und der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten steht fest: Alles kann eintreten, auch wenn kaum einer damit rechnet. Es scheint, als sei unsere Welt ein Stück aus den Fugen geraten, als befänden wir uns in einem latenten Krisenzustand – und so wird es wohl auch noch eine Weile bleiben. Nicht zuletzt die fortschreitende Globalisierung und Digitalisierung krempeln selbst traditionelle Branchen geradezu vollständig um.

Für Unternehmer gehören ständige Herausforderungen und unabsehbare Umwelteinflüsse zum Alltag. Allein das Brexit-Votum in Großbritannien bescherte GFT innerhalb weniger Tage erhebliche Währungsverluste. Der EU-Austritt stellt das angestrebte harmonische Regulierungsumfeld innerhalb Europas außerdem weiter in Frage. Laut den Ankündigungen von US-Präsident Trump stehen auch in den USA weitreichende regulatorische Reformen für Banken und die Energiewirtschaft bevor, die nach Milliarden an Investitionen vor allem Ungewissheit bedeuten. Der Wandel ist zur Normalität geworden.

Doch wie geht man als Unternehmer damit um? Gerade wenn man die Verantwortung für ein international tätiges Unternehmen trägt, gilt vor allem eines: Wir müssen in der Lage sein, flexibel und spontan zu agieren. Es ist heute wichtiger denn je, schnelle Antworten auf unvorhersehbare Ereignisse zu haben, Anpassungsfähigkeit ist unabdingbar geworden.

Flexibel zu agieren muss aber nicht heißen, übereilte Entscheidungen zu treffen, wie beispielsweise Produktions- oder Entwicklungsstandorte in Frage zu stellen, weil die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in einem Land kurzfristig ungünstig sind. In Zeiten von Unbeständigkeit kann die eigene Beständigkeit zum Erfolg führen, das hat uns das letzte Jahrzehnt gelehrt. Gerade Familienunternehmen mit ihren langfristigen Strategien waren durch ihr behutsames Vorgehen in der Krise die Gewinner in den Folgejahren.

Werfen wir einen Blick nach Spanien, der mit über 2.000 Mitarbeitern größte Standort der GFT. Das Platzen der Immobilienblase 2007 traf das Land hart, viele unserer Kunden waren betroffen. Die Krise hatte außerdem geradezu gravierende Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, über 20 Prozent der jungen Arbeitnehmer waren damals ohne Job. Wir blieben dem Standort treu und haben aktiv investiert – in Weiterbildungs- und Hilfsprogramme für unsere Mitarbeiter und deren Familien. Arbeitslose Hochschulabsolventen, die wir nicht in Spanien unterbringen konnten, stellten wir in Deutschland ein und boten kostenlose Sprachkurse an. Dieses langfristige Engagement hat sich ausgezahlt: Heute besitzt GFT in Spanien ein hervorragendes Image als Arbeitgeber und profitiert nachhaltig davon.

Um in voneinander unabhängigen Ländern zu produzieren und verkaufen zu können, ist ein globaler Blick auf Ressourcen unerlässlich. Nur so können einzelne Entwicklungen ausbalanciert und geopolitische Risiken minimiert werden.

Natürlich gehört zu jeder strategischen Entscheidung auch immer eine Portion Glück. Nach mehreren erfolglosen Versuchen, in den USA Fuß zu fassen, haben wir im Jahr 2006 die Entscheidung getroffen, ein Büro in New York zu etablieren. Von dort aus wollten wir neue Kunden aus der Finanzindustrie in den USA gewinnen. An dem Tag, als unser Geschäftsführer vor Ort das Büro eröffnete, durften nebenan die Banker bei Lehman Brothers mit ihren Kartons die Büros verlassen. Nicht gerade ein optimales Timing. Natürlich wurde unsere Entscheidung hinterfragt. Wir haben jedoch in der anschließenden Finanzkrise einen langen Atem bewiesen. GFT USA ist in der Zwischenzeit zu einem erfolgreichen Tochterunternehmen herangewachsen.

Man muss zu getroffenen Entscheidungen stehen und diese durchhalten. Als GFT vor 30 Jahren gegründet wurde, war die Welt noch eine ganz andere – technologisch wie politisch. Doch wir hatten über all die Jahre immer den Mut, uns auf den Wandel einzulassen. Auch heute wissen wir nicht, wie die Welt in weiteren 30 Jahren aussehen wird. Eines jedoch ist sicher: Durch die Digitalisierung der Gesellschaft werden neue Formen der Zusammenarbeit innerhalb und außerhalb des eigenen Unternehmens – vor allem über Ländergrenzen hinweg – notwendig und möglich sein, um den globalen Herausforderungen der heutigen Zeit zu begegnen.

GFT Technologies ist ein globaler Technologiepartner für den Finanzsektor. Dabei begleitet das Unternehmen Banken und Versicherungen bei der Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse. Mit rund 5.000 Mitarbeitern erzielte GFT 2016 einen Jahresumsatz von rund 425 Millionen Euro. Das Unternehmen unterhält Standorte in zwölf Ländern in Europa sowie Nord- und Südamerika. Ulrich Dietz ist seit Juli 2017 Vorsitzender des Verwaltungsrats des Stuttgarter Unternehmens. Zuvor war er seit Gründung 30 Jahre lang CEO der GFT Technologies.